KULTURHERZ: Sie stehen bereits zum dritten Mal auf der Bühne des Raimund Theaters in Wien. Ihre erste Rolle war Gavroche in „Les Misérables“. Welche Erinnerungen haben Sie an die österreichische Erstaufführung?
Aris Sas: Nur gute! Ich war 11 Jahre alt und damals war das Jugendschutzgesetz nicht wie das heutzutage der Fall ist; das heißt man hat viel weniger Kinder benötigt als das heute ist. Ich glaube man darf heute nur 2 Vorstellungen pro Monat spielen. Und damals gab es diese Einschränkungen nicht. Es hat sich auf jeden Fall niemand darum gekümmert. Das heißt ich war im gesamten Probenprozess dabei und hab auch sehr viele Vorstellungen gespielt und war dadurch sehr viel mehr in das Ensemble eingebunden als das heutzutage bei Kinderdarstellern der Fall ist. Für mich, gerade in dem Alter, war das Ensemble meine Familie. Man sucht sich automatisch seine Vaterfigur aus und auch seine Mutterfigur. Leute mit denen man sich gut versteht und dadurch ist das natürlich ein extrem bleibender Eindruck. Die Arbeit war spannend, man darf nicht vergessen, dass ich damals zum Vorsingen zu „Les Misérables“ gegangen bin, als ich noch Mitglied der Wiener Sängerknaben war. Ich bin verbotenerweise zum Vorsingen gegangen und als ich die Rolle dann bekommen habe, musste ich die Sängerknaben verlassen. Das war ein gar nicht so einfacher Prozess, auch psychisch. Normalerweise darf man den Chor erst verlassen wenn man in den Stimmbruch gekommen ist. Damals gab es auch einige sehr unschöne Momente für mich durch diesen Loslösungsprozess. Die Leute bei „Les Misérables“ haben es mir aber sehr leicht gemacht. Ich erinnere mich wahnsinnig gerne an die Zeit. Meiner Meinung nach, auch heute wenn ich es höre, war es eine ausgezeichnete Produktion und die erste deutschsprachige Aufführung des Werks. Ich glaube das hat damit zu tun, dass es damals nicht so viele gelernte, reine Musicalkräfte gab und dadurch mussten Leute aus den unterschiedlichen Bereichen Oper, Schauspiel, Musiktheater zusammen kommen und dadurch war das eine sehr spannende Besetzung. Für mich ist es immer noch die Version des Stücks, die ich am liebsten höre, da ich auch die deutschen Texte von Heinz Rudolf Kunze unglaublich gelungen finde. Das ist für mich eine der besten Musicalübersetzungen, die es jemals gab.
KULTURHERZ: Vor über 25 Jahren hatten Sie in der Rolle des Alfred in „Tanz der Vampire“ ihren großen Durchbruch. Wie war der Casting Prozess und die Arbeit mit Regisseur Roman Polanski?
Aris Sas: Das Casting war einmalig so etwas habe ich nie wieder erlebt und ich hoffe, ich werde es auch nie wieder erleben. Ich habe für den Job fünf oder sechsmal vorsingen müssen und der Grund war folgender: man hat mir schon während der Spielzeit von „Elisabeth“ (ich habe vor der Audition von „Tanz der Vampir“ schon drei Jahre bei den VBW „Elisabeth“ gespielt) gesagt, dass ich wahrscheinlich ein guter Typ wäre für Alfred und ich hab mir natürlich auch ein paar Hoffnungen gemacht. Dann ging ich zur ersten Audition und man hat mir „Für Sarah“ in die Hand gedrückt. Nach einem Blick in die Noten war mir klar, dass ich das auf keinen Fall singen kann. Ich bin Bariton und das war für einen extrem hohen Tenor geschrieben. Es war mindestens eine Quint höher als es jetzt der Fall ist. Es ging glaube ich bis zum hohen d oder e, auf jeden Fall war es brutal hoch. Mir war ganz klar: dass wird nichts. Ich habe es versucht aber musste beim 7. oder 8. Ton abbrechen, weil es in keiner Weise in meiner Stimme liegt. Man bedankte sich, sagte tschüss und damit war die Sache für mich erlegt. Ich war natürlich enttäuscht, war aber sehr überrascht dass man mich zur nächsten Runde wieder eingeladen hat. Nachdem ich beim nächsten Mal wieder versagt hatte, wurde ich wieder eingeladen. Ich hatte auch schon gehört, dass es überhaupt Probleme gab Leute zu finden. Es wurden nämlich alle Männerrollen in dieser Lage geschrieben. Der Grund war, Jim Steinman hat in einer Range geschrieben, in der er selbst singt und in der er für Meat Loaf komponiert hat. Es gibt eine CD auf der Jim Steinman seine eigenen Songs singt und er hat immer so geschrieben, also hat er auch für das Musical so geschrieben. Er hat quasi für keine Rolle Leute gefunden die in der Lage singen können und wenn dann klingt das da oben nicht mehr so wie wahrscheinlich Polanski und Steinman sich das vorgestellt haben. Es ist dann doch keine Rockshow. Nach dem vierten Mal war für mich klar, dass sie jetzt checken müssen das ich der falsche bin. Ich war dann auf einer Europatour mit einer modernen Oper und wir waren in Glasgow und dann kam ein Anruf von den VBW ob ich nicht nochmal kommen würde. Ich habe dann gesagt, ‚Leute glaubt ihr wirklich dass das Sinn macht? ` ‚Ja, bitte komm doch einmal noch und wir zahlen auch den Flug.‘ Dann bin ich tatsächlich nochmal nach Wien geflogen und war irgendwie schon recht sauer weil ich auch eine stressige Zeit hatte und dachte es sei völlig umsonst, werde dahin marschieren und nach einer kurzen Zeit wieder abbrechen. Ich war so sauer, als sie mir wieder dieselben Noten in die Hand drückten, dass ich etwas gemacht habe, was für den Rest meiner Karriere sehr wichtig war: ich habe nämlich was gesagt. Da habe ich viel gelernt, denn ich habe den Mund aufgemacht und bin nach vorne an die Rampe gegangen und habe gesagt: Leute, und da saßen sie alle: Polanski, der Intendant, musikalische Chef, das macht keinen Sinn. Ich kann das nicht singen. Ich mache euch folgenden Vorschlag: ich singe das jetzt in einer Lage, in der ich singen kann. Und dann kam die Frage: ‚Wie hoch kannst du singen?‘ ‚Bis g das ist der höchste Ton.‘ ‚Das ist viel zu tief.‘ ‚Lasst es mich ein einziges Mal versuchen und dann geh ich und ihr seht mich nie wieder.‘ (lacht) Ich bin zum Klavier gegangen und ich kannte den Korrepetitor und mir war klar, dass er das vom Blatt transponieren kann und wir haben es dann in einer Lage gemacht, in der ich gut singen kann. Als ich fertig war, war Schweigen und irgendwann hat Jim Steinman gesagt (das werde ich nie vergessen) ‚Strange, this sound still very high‘ und ich sagte ‚Yes, because it’s very high for me‘ und damit war der Bann irgendwie gebrochen und sie haben begonnen alle Nummern zu transponieren und in die Lage gesetzt in der man gut singen kann. Ich habe wirklich viel gelernt denn seitdem, jedes Mal wenn ich zu einer Audition gehe und das Gefühl habe ich möchte gerne etwas sagen, dann tue ich es einfach. Das ist auch etwas, was ich allen die das lesen mit auf den Weg geben möchte. Es ist besser in diesen zwei oder drei Minuten die man hat, den Mund aufzumachen und was zu sagen, als hinauszugehen und sich zu ärgern, dass man nichts gesagt hat.
Die Arbeit mit Roman Polanski war großartig und zwar aus folgendem Grund: nicht weil er der große Hollywood Regisseur ist, sondern weil er ein verdammt guter Regisseur ist. Nicht aufgrund seines Namens, sondern aufgrund der Art wie er gearbeitet hat. Es war ihm nichts egal, jede kleinste Kleinigkeit war ihm wichtig. Ob es die Requisiten waren oder Phrasierungen, Schritte. Er war unfassbar genau. Er war nicht der Regisseur, der die Leute einfach mal machen lässt, sondern er hat schon sehr genaue Vorstellungen wie alles auszusehen hat. Was für uns sehr wichtig war, da er nicht der klassische Musical Regisseur ist, war auch die Herangehensweise nicht Musical typisch, aber ich glaube das dies im Endeffekt den Reiz von „Tanz der Vampire“ ausmacht. Vor allem von der Original Produktion, die er eben noch betreut hat. Das hatte mit klassischer Musical Inszenierung wenig zu tun. Wenn man sich den Film anschaut zum Beispiel da ist sehr wenig Text drin, etwas womit Leute, die heute Filme schauen fast ein Problem haben, weil sie sagen: da passiert ja nichts. Aber was passiert, passiert durch Blicke, Schnitte und Verfolgungsjagden. Aber gesprochen wird nicht sehr viel. Ich finde dass er den Stil des Films sehr gut ins Musical transportiert hat. Polanski war unglaublich fordernd in seiner Arbeit, aber das war großartig. Ich habe sehr sehr selten mit vergleichbaren Regisseuren arbeiten dürfen. Damit meine ich nicht den Berühmtheitsgrad, sondern die Art und die Obsession der dieser Mensch verbreitet hat. Ich habe viel gelernt. Das Lied „Für Sarah“ habe ich immer als Held gesungen, denn ich war der Held der Geschichte. Ich wollte Sarah retten. Dann hatten wir Premiere und es gab ein Zeitungsinterview mit einem sehr bekannten Kritiker in Wien und er hat geschrieben „Wenn Alfred im zweiten Akt sein „Für Sarah“ singt, möchte man vor Lachen in die Sitzlehne beißen.“ Ich war tief getroffen und bin zu Polanski und hab gesagt: ‚Roman, they’re laughing about me!‘ und er antwortete: ‚Don’t change anything!‘ Damals habe ich einige der wichtigsten Dinge beim Schauspiel gelernt: wenn etwas komisch sein soll, ist nicht der Schauspieler komisch, sondern die Situation ist komisch, die ihm passiert. Wenn ich das Gefühl habe, ich bin der Held der Geschichte und ich singe mir die Seele aus dem Leib, kann das auch rührend oder auch komisch wirken, aber ich darf das nicht wissen. Das ist das einmal eins des Schauspieles und das hat mir Polanski damals eröffnet.
KULTURHERZ: Steve Barton wurde als von Krolock unsterblich und ist zum Glück gemeinsam mit Ihnen auf dem Original Cast Album von „Tanz der Vampire“ konserviert. Wie war die Zusammenarbeit mit Barton?
Aris Sas: Ja über Steve könnte ich stundelang reden, aber vieles davon wäre privat (lacht). Steve war ein Sir. Ich kann es nicht anders ausdrücken (lacht). Er war einer der nettesten, professionellsten Kollegen mit denen ich jemals arbeiten durfte und ja das sagt man bei Interviews immer, aber ich wäre wahrscheinlich viel weniger überschwänglich und nur höflich wenn es nicht so wäre. Er war ein Geschenk, gerade für junge Leute. Abgesehen davon, dass er ein akribischer Arbeiter war und unglaublich gut war, hat er mir nie das Gefühl gegeben, dass ich in dem Moment in dem er mit dir auf der Bühne stand, irgendwie nicht wichtig bin. Er hat genau gewusst wo der Fokus war und wo dieser zu liegen hat. Er hat sich immer in den Dienst des Stückes gestellt. Er hat nie versucht zu glänzen, sondern einfach immer die Geschichte erzählt. Die Stimme war für mich einfach unfassbar passend als Krolock. Für mich ist der Graf eine Bariton Rolle, weil die breite Tiefe für mich sehr wichtig ist. Sie drückt das Alter und die Lebenserfahrung, aus wenn man das bei einem Vampir so nennen kann (lacht). Die Ewigkeit, die er verbracht hat, die habe ich in seiner Stimme in jedem Wort gehört. Wir haben uns sehr gut verstanden und er hat einmal gesagt, dass er sich in mir wieder erkennt, als er damals in meinem Alter war. Ich glaube das hat uns sehr zusammen geschweißt. Er hatte außerdem den schwärzesten Humor, den man sich vorstellen kann. Etwas, was mir auch sehr sympathisch ist. Ihm ging die Show über alles.
Er hat sein Leben in den Dienst dieser Show gestellt. Er hat wirklich gelebt um zu arbeiten. Es war ihm jede einzelne Show und jede einzelne Szene immer wahnsinnig wichtig. Ich glaube ich bin ebenso. Ich bin ein sehr akribischer Arbeiter. Ich bin selten mit etwas zufrieden, was ich mache (lacht) und wahrscheinlich auch überkritisch. Vielleicht steht einem das auch manchmal im Weg, aber er hat das gut verstanden und sich wahrscheinlich darin gesehen. Er war denke ich ebenso und deswegen haben wir das eben gemeinsam gemacht. Wir haben uns ausgetauscht, auch über die Show. Wir sind oft nach der Show noch zusammen gesessen und haben darüber gesprochen was gut funktioniert hat und was nicht funktioniert hat. Das ist bei Ensuite Shows heutzutage nicht mehr so üblich. Ich vermisse ihn sehr und wäre sehr gespannt gewesen, was da noch gekommen wäre. Bei allem Respekt allen Darstellern, die danach kamen. Steve Barton war für mich der Krolock. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass er einen Vorteil hatte, den auch ich hatte. Wir haben mit dem Regisseur und dem Komponisten monatelang an jeder einzelnen Geste, an jedem Satz gearbeitet. Diesen Luxus hatten die nachkommenden Generationen nicht mehr. Das war natürlich ein riesiger Vorteil wenn du alles mit dem Regisseur besprechen kannst, wenn du genau weißt was er möchte. Diesen Luxus hatten wir noch in Stuttgart, bei der deutschen Premiere – danach war Polanski in diesem Umfang nicht mehr dabei. Es ist oft so, dass die Original Cast natürlich einen riesigen Vorteil hat. Ich habe großartige Leute gesehen in der Show, aber es ist auch schwer für mich das objektiv zu beurteilen.
KULTURHERZ: Was macht „Tanz der Vampire“ Ihrer Meinung nach auch nach über 25 Jahren zu einem so großen Publikumsmagneten?
Aris Sas: Das ist eine gute Frage. Erstmal glaube ich, dass das Originalstück wirklich gut gemacht war. Es wurden damals keine Kosten und Mühen gescheut und wir hatten auch wirklich viel Zeit für die Entwicklung. Es wurden ständig Dinge weggeworfen, neu gedacht, neu probiert. Teilweise hat uns das auch zur Verzweiflung gebracht, weil Polanski auch eine Woche vor der Premiere noch Szenen rausgeschmissen hat. Aber wie ich schon erwähnte, manchmal tut es Musicals gut, wenn Leute mit dabei sind, die ansonsten nichts mit dem Thema am Hut haben und die eine andere Herangehensweise haben, denn das macht sie besonders. Das kann auch sehr in die Hose gehen, aber in dem Fall hat es denke ich sehr gut geklappt. Natürlich ist auch die Musik unglaublich passend geschrieben. Auch die Zwischenmusiken, da sind ja viele Stile drin von Offenbach über Wagner zu Steinman, dem Wagner ja nicht sehr fremd ist. Es ist große orchestrale Musik mit Rocksound und natürlich, was wir nicht vergessen dürfen, das Thema ist spannend. Unvergesslich und spannend mystisch: Tod und das ewige Leben. Was passiert vielleicht nach dem Tod? Und natürlich auch diese Liebesgeschichte, die über den Tod hinaus geht. Das sind spannende Themen, die denke ich immer bewegen. Warum das Stück nach wie vor so erfolgreich ist, ist schwer für mich zu beurteilen. Die Produktion ist mittlerweile sehr modernisiert worden, in vielerlei Hinsicht um wahrscheinlich dem Geschmack des heutigen Publikums mehr zu entsprechen. Mir persönlich gefallen nicht alle Änderungen muss ich ehrlich sagen, auch teilweise nicht mehr die Rollenauslegungen, die oft sehr weit von dem entfernt sind, wie es damals gedacht war. Wenn ich mit Leuten darüber diskutiere, bekomme ich oft zu hören: ‚Das wollen die Leute heute so sehen, die alte Version würde heutzutage nicht mehr funktionieren.‘ Das mag alles sein, ich kann das nicht beurteilen, ich bin einfach zu nahe an der Originalversion dran. Als Beispiel sei die Rolle des Herbert genannt. Das war anfangs ein erotischer Mann. Erotisch für Mann, Frau gleichermaßen. Jemand der dich mit seiner Stimme und seinem Auftreten fasziniert. Nichts daran war in irgendeiner Form tuckig oder übertrieben. Heutzutage wenn ich die Show sehe, ist es oft ein Abziehbild. Das ist sicher so gewünscht, es liegt nicht an den Darstellern, denn die bedienen das. Es ist nur wenn Polanski das gesehen hätte, das hätte er nicht gemocht und hat auch häufig darauf hingewiesen. Deswegen hat es mich schon gewundert in welche Richtung die Rolle ging. Ich finde einfach das heutzutage die Rollen sehr viel mehr 1:1 interpretiert werden. Der Krolock ist böse und mächtig und das Cape wird geschwungen. Es ist nicht so vielfarbig wie es früher war. Aber nochmal: das liegt nicht an den Darstellern. Alfred hat die ganze Zeit einfach nur Angst und schlottert mit den Knien. Sarahs müssen heutzutage mit dem Hintern wackeln um irgendwie sexy zu signalisieren und die Herberts sind einfach nur drüber. Es kann sein, dass die Leute darüber mehr lachen, aber ich finde es deswegen nicht unbedingt besser. Es ist auch sehr viel schneller geworden, es wurde gestrichen, einiges kam dazu. Es geht unfassbar schnell das Ganze: die Wechsel. Ich fand gerade das langsame als etwas sehr schönes, aber es ist nur mein persönlicher Geschmack.
KULTURHERZ: Erzählen Sie gerne etwas über Ihre Rückkehr ins Raimund Theater und ihre Rolle des Ben in „Rebecca“. Wie haben Sie diese Figur gemeinsam mit Regisseurin Francesca Zambello entwickelt?
Aris Sas: Das war ganz witzig. Ich habe seit Vampire kaum mehr Ensuite Shows gemacht, wenn dann etwas was nicht mehr als 6-9 Monate gedauert hat. Einfach aus dem Grund, weil ich für mich festgestellt habe das mir mehr Abwechslung gut tut und wenn man verschiedenste Rollen spielt und die dafür nicht ganz so lange. Ensuite ist schon beinhart und deswegen bin ich ewig nicht mehr zu solchen Vorsingen gegangen. Jetzt ist aber etwas passiert, vor zwei Jahren was meine Meinung dazu aber etwas verändert hat. Ich bin nämlich Vater geworden und ziemlich zeitgleich hat mir jemand gesagt, dass Auditions für „Rebecca“ stattfinden. Ich wollte einige Zeit lang in meiner Heimatstadt Wien bleiben können, da ich ansonsten ja immer irgendwo anders gespielt habe. Mit einem Kind ändert sich das natürlich und da habe ich mir gedacht ich versuche es mit dem Vorsprechen. Ich hatte „Rebecca“ nie gesehen und hatte keine Ahnung von dem Stück. Ich kannte zwar den schwarz weiß Film, aber vom Musical hatte ich keine Ahnung. So bin ich komplett unbefangen zum Vorsprechen gegangen. Da ich es nicht gesehen habe, wusste ich auch nicht, was erwartet wird oder wie das auszusehen hat. Ich kam rein zum Vorsingen, hab es ebenso gemacht wie ich dachte, dass es stimmen kann. In der Ausschreibung der Rolle des Ben stand: Kind im Körper eines Mannes. Da stand nichts von Behinderung . So habe ich das dann gespielt und interpretiert. Ich weiß, dass mich Frau Zambello kein einziges Mal angesehen hat während der Audition und danach hat sie ‚thank you‘ gesagt und das wars. Dann bin ich rausgegangen und dachte: ich lag komplett falsch. Erst danach habe ich erfahren, dass es ihr anscheinend gut gefallen hat und ich den Job habe. Vielleicht war das gut, dass ich nichts wusste, weil es ja auch eine Neuinszenierung sein sollte bis zu einem gewissen Grad. Vielleicht hat mir das im Endeffekt auch den Job gebracht, weil ich keine Ahnung hatte wie der Ben damals angelegt war, sondern einfach mein eigenes Ding gemacht habe. Vielleicht hat ihr gerade das gefallen.
Der Probenprozess mit ihr war insofern spannend, weil sie ganz anders, als ich das vorhin mit Polanski schilderte, sich sehr wenig eingemischt hat. Sie hat uns einfach mal machen lassen und wir haben angeboten. Bei Schauspielern gibt es so unterschiedliche Typen: die einen, die immer anbieten und die anderen, denen du besser sagst was sie machen sollen. Dann sind sie großartig. Nur weil man anbietet, heißt es nicht, dass es gut ist (lacht). Ich bin eher der Typ, der erstmal probiert. Zambello hat erstmal wenig dazu gesagt, was ich als stille Zustimmung empfunden habe und deswegen weitergemacht habe. Wenn ihr irgendwas nicht gepasst hat, hat sie es natürlich gesagt, aber es waren kleinste Details. So durfte ich die Rolle entwickeln und dafür bin ich sehr dankbar, denn diesen Luxus hat man nicht immer, besonders bei Stücken die schon einmal liefen. Oft muss man genau das machen, was der jeweilige Vorgänger gemacht hat. Wenn man sich selbst als Schauspieler sieht, und das tue ich, dann ist das oft nicht sehr befriedigend. In dem Fall muss ich sehr dankbar sein, da ich das selber entwickeln durfte und man mir nicht allzu viel reingeredet hat. Es war eine gute Arbeit, aus diesem Grund vor allem.
KULTURHERZ: Gestatten Sie mir bitte kurz eine kleine persönliche Anekdote: Ich habe Sie damals in Stuttgart als Alfred gesehen und ich erinnere mich daran, dass sie eine ganz kleine Zäsur bei „für Sarah“ gemacht haben. „, weil ich sie… liebe.“ Das hatte eine solch wunderbare, zarte Wirkung die mich bis heute nachhaltig begeistert.
Aris Sas: Interessant, dass Sie sich daran erinnern. Ich kann mich auch erinnern, dass ich irgendwann damit begonnen habe das einzubauen. Ich glaube der Grund war, dass ich mir irgendwann gesagt habe, das Wort Liebe benutzt man als Jugendlicher sehr sehr schnell. Heutzutage sagt man schnell “ich liebe dich“. Wenn aber einem vielleicht das erste Mal klar wird, was das wirklich ist oder was es bedeuten kann wird dieses Wort auf einmal sehr sehr groß. Die meisten, die als Jugendliche dieses Wort verwendet haben und dann das erste Mal mit neuen Gefühlen konfrontiert werden und sagen: das könnte es sein, nutzen das Wort auf einmal viel seltener und mit mehr Ehrfurcht und das sollte man auch.
KULTURHERZ: Haben Sie ein Lieblingsmusical und welche Rollen würden Sie gerne zukünftig spielen?
Aris Sas: Ein Lieblingsmusical..(überlegt). „Les Misérables“ ist nach wie vor ein Stück, dass ich großartig finde. Ich habe auch Enjolras später gespielt, aber eine Rolle gibt es in dem Stück, die ich gerne spielen würde und das ist tatsächlich Thénardier, Das ist eine Rolle, die oft komisch gespielt wird. Ich habe noch sehr stark unseren Thénardier in Erinnerung, der unfassbar gut war: Franz Csencsits. Das ist die böseste Rolle im Stück. Wenn sie lustig ist, dann nur weil man über die Situation lachen kann wie er mit den Leuten umgeht aber er ist in keiner Weise komisch. Er ist der einzig wirklich böse Charakter im Stück, weil jeder andere hat eine Mission, etwas an das er glaubt. Javert hat eine Mission, Jean Valjean hat eine Mission. Thénardier nicht, er will das Maximum an Profit. Das einzige, an das er glaubt ist er selbst und das Geld. Das finde ich eine faszinierende Rolle, es sind Charakterrollen die mich interessieren.
Es gibt im reinen Schauspielbereich sehr viel mehr Rollen, die mich faszinieren, die ich gerne noch machen würde. Vor allem, weil es im Musicalbereich immer seltener Stücke gibt, die mich faszinieren. Ich mag Stücke mit Message und Aussage. Gerne auch historisch, auch viel moderne Stücke, aber die Aussage ist mir wichtig. Es ist schön, wenn man im Anschluss danach diskutieren kann. Wenn ich das auch im Musical finde, darf es gerne Musical sein. Gesang und Musik ist nur eine weitere Ausdrucksform. Es ist völlig egal ob es Ballett, Schauspiel, Oper, Operette: es geht mir darum eine Geschichte zu erzählen und Charaktere zu entwickeln. Mir gefallen immer die Musicals am besten, wo ich nicht merke, wenn die Leute zu singen beginnen. Rollen, die mich faszinieren sind oft die, die ich mir oft selbst nicht zutraue oder die man mir nicht zutraut. Es ist interessant: in Wien bin ich bekannt als Alfred und Ben. In anderen Theatern kennt man mich für andere Dinge. Es gibt z.B. ein Theater in der Schweiz wo ich Billy Flynn in „Chicago“ gespielt habe, Pilatus in „Jesus Christ Superstar“. Wenn ich das in Wien erzähle sagen die Leute: ‚aber dass bist doch gar nicht du.‘ Wenn ich aber in der Schweiz erzähle, welche Rollen ich in Wien spiele sagen sie wiederum: ‚aber das bist doch gar nicht du.‘ Das finde ich immer so faszinierend, dass es Leuten immer so schwer fällt dich in etwas zu sehen , wo sie dich nicht kennen. Deswegen finde ich meistens Rollen, die angeblich nicht mein Typ sind besonders spannend.
KULTURHERZ: Mit welche*m Künstler*in, verstorben oder lebendig, würden Sie gerne einen Abend verbringen und warum?
Aris Sas: Ich tu mich immer schwer diese Frage zu beantworten, weil ich einfach im Laufe meiner Karriere festgestellt habe, dass das Bild welches man sich von einem Künstler macht, meistens mit der Realität sehr wenig übereinstimmt. Ich habe aufgehört mir Bilder von der Persönlichkeit eines Künstlers zu machen, nur weil ich etwas von ihm gelesen, gehört oder gesehen habe. Allerdings wäre es bei einigen Leuten interessant zu wissen ob man sich auch hier täuscht oder nicht. Es gibt einen österreichischen Liedermacher, den ich sehr verehrt habe: Ludwig Hirsch, der nicht mehr unter uns ist. Ich finde seine Texte faszinierend. Es sind traurige oder auch sehr lustige Lieder, die er mit einer traurigen Stimme zum Ausdruck bringt und die schlimmsten Inhalte, die er transportiert. Ich habe ihn nie kennengelernt, außer einem kurzen ‚Hallo‘ und es hätte mich sehr interessiert über seine Texte zu sprechen, wenn er das denn gewollt hätte, was man ja nie weiß. Eigentlich lasse ich den Leuten lieber ihren Freiraum, denn man muss nicht alle kennen.
KULTURHERZ: Welches Musical denken Sie schlummert zu Unrecht im Verborgenen und bedarf eines großen Publikums?
Aris Sas: Die Musicals, die mir am besten gefallen sind wahrscheinlich meistens die, die man nicht vor großem Publikum machen könnte, weil sie wahrscheinlich nicht so leicht vermarktbar wären und vielleicht auch nicht den breitesten Geschmack treffen. Wir hatten Anfang der 2000er die Uraufführung von „Die drei Musketiere“ in St. Gallen. Der Komponist heißt George Stiles, mittlerweile recht bekannt durch „Honk“ und auch andere Stücke, ein unfassbarer Komponist meines Erachtens. Damals hatten wir Besuch von der Stage, die überlegt haben, welche Version der Musketiere sie in Berlin machen wollen. Sie habe sich dann für ein rockigere. moderne Version entschieden [Anm.: die Komposition von Rob und Ferdi Bolland]. Das Stück „Die drei Musketiere“ in der Version von Stiles war meiner Meinung nach musikalisch mit „Les Misérables“ gleichzusetzen: riesige orchestrale Musik und wunderschön. Das würde, denke ich, auch für ein großes Publikum funktionieren.
Andere Stücke, die für ein großes Publikum wahrscheinlich nicht funktionieren, die ich sehr mag sind „Tick, Tick, Boom“ und mein absoluter Favorit „Pinkelstadt“ – Ich hatte das Glück, die deutschsprachige Erstaufführung zu spielen. Das Original am Broadway hieß „Urinetown“ . Wir haben das in Berlin am Schlosspark Theater gemacht und es war eine Stage Produktion in einem kleinen Theater . Meiner Meinung nach ein Stück mit einer unglaublichen Aussage und gleichzeitig in seiner Art sehr komisch. Vor allem für Liebhaber von Musicals ist es etwas, weil es viele Insider Joke gibt und trotzdem kommt die Message bei der Geschichte nicht zu kurz. Es geht um Wasserknappheit und um die Folgen davon. Ich wundere mich, dass das nicht an den Stadttheatern rauf und runter gespielt wird. Vielleicht hat es ja mit dem Titel zu tun, vor dem viele Intendanten Angst haben, weil sie glauben das ihre Abonnenten nicht kommen, wenn etwas „Pinkelstadt“ heißt.
KULTURHERZ: Welche Rolle in „Rebecca“, unabhängig des Geschlechts, würden Sie gerne verkörpern und warum?
Aris Sas: Ich finde in „Rebecca“ sind die Nebenrollen für mich als Schauspieler fast interessanter. Danvers kann man jetzt nicht als Nebenrolle bezeichnen, das ist eine Hauptrolle und natürlich eine tolle Rolle. Das wäre bei den Damen die Rolle, die mich faszinieren würde und bei den Männern wäre es am ehesten Jack Favell. Den Bösen zu spielen, macht mir sehr viel Spaß, die Möglichkeit bekomme ich nicht so oft. Ich habe z.B. in der Schweiz Curtis Jackson in „Sister Act“ gespielt – sowas macht mir Spaß, mal gegen den angeblichen Typen besetzt zu sein. Das wäre in „Rebecca“ ähnlich. Jack Favell wäre die Rolle, die ich am ehesten machen würde. Es macht Spaß der Gegenpol zu sein. Dabei ist er ja gar nicht so böse, er will ja auch nur das Beste für sich (lacht).
KULTURHERZ: In Ihrer Vita findet sich auch reines Sprechtheater. Würden Sie gerne mal wieder Theater spielen und wenn ja welche Rolle würde Sie interessieren?
Aris Sas: Ich spiele viel Theater. Ich habe sicher in den letzten 20 Jahren sehr viel mehr Theater gespielt als Musical. Jetzt muss man fairerweise dazu sagen, dass Theaterproduktionen ganz anders beworben werden als Musicals, oft erfahren nicht so viele von den Stücken . Ich spiele momentan wahrscheinlich lieber Theater als Musiktheater, was aber oft mit den Musicals zu tun hat, die auf dem Markt sind. Die mich interessieren, die werden seltener gespielt und wenn dann nur in sehr kleinem Rahmen. Aber ja, Theater spiele ich wahnsinnig gerne und da gibt es unzählige Rollen, die ich gerne spielen würde. Im reinen Sprechtheater muss ich ehrlich sagen fühle ich mich wohler, je kleiner ein Theater ist. Ich habe sehr viele kleine Produktionen gemacht. Davon kann man nur sehr schwerlich leben, sage ich auch ganz offen. Theater ist leider unberechtigterweise, nach wie vor, sehr viel schlechter bezahlt als Musiktheater. Ich will damit nicht sagen, dass die Leute im Musiktheater weniger bekommen sollten, sondern die im Schauspiel mehr (lacht). Die schönsten Produktionen waren an komplett kleinen Bühnen. Ich mag einen Minizuschauerraum mit 40, 50 oder 100 Leuten und man steht einen Meter vor der ersten Reihe und es gibt praktisch kein Bühnenbild und vielleicht auch keine Kostüme und Requisiten. Man hat ein Theaterstück zu spielen über die unterschiedlichsten Thematiken. Ich liebe es, dass man einfach spürt, durch die kurze Distanz zum Publikum, ob es denen gefällt, ob sie den Moment unangenehm finden. Du bist so nah am Publikum dran und dafür lebe ich momentan. Das Raimund Theater ist da ein bisschen eine Ausnahme. Es ist zwar ein riesiges Theater, aber man hat das Gefühl sehr nahe am Publikum zu sein, so wie es gebaut ist. Im Ronacher habe ich dieses Gefühl zum Beispiel nicht. Da habe ich das Gefühl, ich bin sehr weit weg vom Publikum. Im Sprechtheater gibt es noch unzählige Stücke, die ich gern machen möchte, auch welche mit Musik wie „Die Dreigroschenoper“. Mackie Messer würde mich sehr faszinieren.
KULTURHERZ: Was ist das lustigste Missgeschick, was ihnen je bei einer Produktion widerfahren ist?
Aris Sas: Es gibt unzählige lustige Sachen, die passiert sind, aber entweder vergisst man sie oder aber, die Sachen die im Nachhinein lustig sind, sind in dem Moment, wo sie passieren, oft nur bedingt lustig, weil einem momentan das Herz stehen bleibt. Wenn ich aber eine Sache herauspicken muss, dann weiß ich noch, dass bei der Produktion von „Die Drei Musketiere“ in St. Gallen vor ewigen Zeiten bei einem Liebesduett meine Partnerin und ich zum Abschluss einen langen Ton sangen und danach eine Streitszene folgen sollte. Wir mussten leider feststellen, dass sich ihre Perücke unlösbar in meinen Haaren verhakt hatte und wir standen Wange an Wange nebeneinander und haben gemerkt das wir voneinander nicht loskommen, egal was wir versuchen. Wir waren wie siamesische Zwillinge am Kopf zusammengewachsen und haben es eine Zeitlang versucht, mit den nächsten zwei Szenen aber irgendwann wurde auch dem letzten im Publikum klar, dass das nicht gewollt ist was wir da für einen Tanz aufführen (lacht). Irgendwann, wenn du merkst egal wie professionell man ist, dass die Leute im Publikum beginnen zu lachen, irgendwann steigst du aus. Es ging dann einfach nicht mehr und dann haben das Publikum und wir gemeinsam ungefähr eine Minute gelacht und haben es dann doch noch irgendwie geschafft ins Stück reinzukommen, was wirklich nicht einfach war.
KULTURHERZ: Lieber Herr Sas, vielen Dank für das offene und überaus interessante Gespräch mit Ihnen!
KULTURHERZ: Madina, kannst du uns etwas über deine Arbeit als Cover in „TINA – Das Musical“ erzählen?
Madina Frey: Ich habe nur zwei Rollen gelernt, denn ich bin kein Swing. Aber was heißt nur, ich glaube mit Tina wäre es auch schon genug (lacht) aber ja, ich habe meinen Ensembletrack den ich normalerweise täglich spiele: da bin ich eine von den Ikettes, falls du dich erinnerst. Diejenige, die zum ersten Mal das Gebetsband an Tina weitergibt und sie überreden will von Ike wegzulaufen während der ersten Jahre. Das ist mein eigentlicher First Cast Track den ich normalerweise, wenn nichts anders ist, jeden Abend spiele. Dann covere ich Alline, die Schwester von Tina, die ich derzeit häufig spiele, weil die Erstbesetzung im Urlaub ist und dann eben Tina. Man probt zuerst die Erstbesetzung in ihren Positionen ein, dann wird die Premiere gespielt und dann fängt man an Cover Runden zu machen, also Proberunden in denen sämtliche Leute für ihr Cover eingeprobt werden und in einer kleineren Besetzung proben und dafür einen put in bekommen also ein Durchlauf unter Showbedingungen – dann sind sie quasi bühnenfertig. Diesen Prozess mit den verschiedenen Cover Runden haben wir tatsächlich erst jetzt [Anm.: Ende Mai 2023] abgeschlossen. Mit meiner Tina Premiere war erst die letzte Coverrunde. Das bedeutet auch eine fast fünfmonatige Periode die aus tagsüber den ganzen Tag proben und abends spielen bestand.
KULTURHERZ: Also warst du rund um die Uhr beschäftigt mit lernen und spielen?
Madina Frey: Ja genau. Ich habe ganz viel Zeit im Theater verbracht. Ich habe eigentlich nur bis Ende April zwischen meiner Theaterwohnung und dem Theater hin und her gependelt.
KULTURHERZ: Wie sieht dann ein klassischer Tag für dich aus? Du hast eben schon erzählt, dass du eine feste Rolle hast. Wann bekommst du Bescheid wann du Alline oder Tina spielst?
Madina Frey: Normalerweise um 11 Uhr, denn das ist unsere Zeit in der sich jeder krank gemeldet haben sollte der nicht da ist, aber natürlich kann immer noch etwas passieren. Besonders Verletzungen können den ganzen Tag entstehen aber auch wenn jemand Magen Darm um 15 Uhr bekommt, dann kann er trotzdem nicht spielen, auch wenn er sich nicht um 11 Uhr krankgemeldet hat. Änderungen sind immer vorbehalten. Es kann sogar passieren das es mitten in der Show eine Umbesetzung gibt, wenn es einen Notfall gäbe. Dafür muss man theoretisch immer bereit sein. Die Regisseurin hat mir während der Probe einen pep talk gegeben in der Probenphase: ‚Madina, immer wenn du dieses Haus betrittst, egal was auf dem Spielplan steht, musst du eine Tina in dir tragen.‘ Das heißt auch körperlich immer so fit wie möglich sein. Ich kann jetzt nicht wirklich Party machen. Man kann nicht verkatert ins Theater kommen, das kann man natürlich sowieso nicht, aber wenn man seinen Ensembletrack hat und genau weiß was man tut und wahnsinnig routiniert ist, dann kann man das auch mal leisten, wenn man körperlich nicht in der besten Verfassung ist. Aber Tina zu spielen wird da schwierig. Auch wenn es nur eine kleine Erkältung ist oder nur ein bisschen Schnupfen oder Husten geht es eigentlich kaum mehr, weil es den Körper und die Stimme so sehr belastet.
KULTURHERZ: Vor allem ist es auch eine große Verantwortung, vor allem dir gegenüber als Künstlerin, da du selber ein Mantra hast wie du deine Rolle gestalten möchtest, aber auch dem Publikum gegenüber.
Madina Frey: Und auch der echten Tina Turner gegenüber! Man muss sie anständig portraitieren
KULTURHERZ: Dieses Wort ist immer etwas überstrapaziert aber sie ist eine Legende und eine Frau die wahrscheinlich jeder Mensch kennt.
Madina Frey: Selbst wenn es nicht so wäre, ist sie ein realer Mensch und da ist die Verantwortung einfach da. Erwin ihr Mann, war bei unserer Premiere in Stuttgart. Er hat uns ein großes Geschenk von ihr überreicht und gesagt, sie wäre auch sehr gerne gekommen aber es gesundheitlich bei ihr nicht möglich war. Sie ist auch eine der Produzentinnen.
KULTURHERZ: Hat Erwin Bach hinterher erzählt wie es sich für ihn anfühlt sich selbst auf der Bühne portraitiert zu sehen?
Madina Frey: Also ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen, aber ich habe den Flo [Anm.: Florian Sigmund] gefragt der Erwin spielt und die beiden haben sich unterhalten und er war sehr nett und großzügig mit dem, was er zu ihm gesagt hat. Von Tina gab es dann einen Brief zur Premiere, den sie für uns geschrieben hat und ein großes Buch, einen wunderschönen Bildband und einen Ring der für sie eine ganz besondere Bedeutung hat.
KULTURHERZ: Wie war dann deine erste Show, deine Premiere als Tina Turner?
Madina Frey: Ehrlich gesagt, kann ich mich an meine Premiere schlecht erinnern, weil es ein bisschen wie ein Rauschzustand war. Ich war so aufgeregt und es ist soviel um mich herum passiert. So vieles habe ich zum ersten Mal gemacht. Ich habe ja eben erzählt, dass der Put In ein Durchlauf unter Showbedingungen ist, doch das stimmt nicht ganz. Es gab einiges bei meiner Premiere was zum ersten Mal wirklich unter Showbedingungen war. Bei einem Put In ist die Besetzung oft minimiert. Manche Leute machen Doppelrollen, damit nicht jeder die gesamte Zeit so viele Probenstunden arbeiten muss oder Leute sind vielleicht nicht im Kostüm. Viele Figuren und Charaktere standen mir zum allerersten Mal in der Premiere gegenüber als dass, was sie wirklich sind und als die Personen, wie sie wirklich gekleidet sind. Das macht natürlich einen riesigen Unterschied. Es war so viel Neues, es gab so viel worauf ich mich hätte konzentrieren müssen aber sobald es losging war ich plötzlich in einem Film und in so einem Tunnel und habe es einfach erlebt. Deswegen kann ich im Nachhinein schlecht sagen wie es war. Es ist nichts Schlimmes passiert, das ist auf jeden Fall gut (lacht). Ich hatte viel Spaß und habe gute Rückmeldungen bekommen.
KULTURHERZ: Hast du einen Lieblings Tina Song?
Madina Frey: (überlegt) Es ändert sich die ganze Zeit. Ich liebe ihre großen Hits wie „What‘s Love Got To Do With It“ – das ist einfach ein geiler Song; fand ich schon immer und „I Can’t Stand The Rain“, wobei er nicht Original von ihr ist. Das sind die beiden die ich als Kind schon kannte und immer mitgesungen habe. Ich mag viele ihrer Songs. Ich wechsle die ganze Zeit meine Meinung, weil es auch damit zu tun hat was und wie meiner Stimme liegt und was ich dann gern singe in dem Moment.
KULTURHERZ: Du hättest wahrscheinlich nie gedacht einmal Tina auf der Bühne zu spielen.
Madina Frey: Das hätte ich echt nie gedacht. Meine Oma hatte so eine blonde Kurzhaarperücke, die so ein bisschen wild aussah in ihrem Nähzimmer in dem sie Kleider gemacht hat – das hat sie geliebt, das war ihr Hobby. Und da waren auch zwei, drei Perücken, weil sie es geliebt hat ganz auffällige Faschingskostüme zu machen. Und eine Perücke war blond und meine Lieblingsperücke. Als ich ein Kind war, habe ich mich natürlich immer in dieses Zimmer verzogen, wenn ich da war und habe mich verkleidet. Und immer, wenn ich diese blonde Perücke an hatte hat mein Onkel gesagt, dass ich aussehe wie Tina Turner und dann habe ich angefangen Tina Turner nachzumachen (lacht).
KULTURHERZ: Ist Tina eine Frau, die dich nachhaltig fasziniert?
Madina Frey: Ja wahnsinnig. Seit ich mich beworben hatte und ich angefangen habe mich mit ihrem Leben zu beschäftigen und ihre Bücher zu lesen, bin ich wahnsinnig beeindruckt. Vor allem was sie für einen positiven Kern zu haben scheint durch alles was sie erleben musste durchgeschafft hat ohne jemals irgendwie schwermütig zu wirken.
KULTURHERZ: Hast du dich damals aktiv auf die Rolle Tina beworben oder Ensemble?
Madina Frey: Ich wurde eingeladen als Cover Tina und Alline und Ensemble. Ich habe mich eigentlich nicht aktiv darauf beworben, sondern wurde gefragt ob ich nicht zu Audition kommen will. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, weil ich gedacht hätte ich bin einfach zu jung.
KULTURHERZ: Also eine sehr glückliche Schicksalsfügung?
Madina Frey: Ich weiß nicht ob es Schicksal ist, aber eine Fügung ja (lacht)
KULTURHERZ: Wie sieht ein klassischer Tag für dich im Theater aus? Hast du eine spezielle Vorbereitung oder ein Ritual vor der Vorstellung?
Madina Frey: Ja, für mich macht es einen großen Unterschied was ich spiele und ob es ein Doppelshow Tag ist, sowie samstags oder sonntags oder ob wir nur eine Show spielen. Man hat im Theater eine sign in Zeit, aber ich bin meistens vorher da. Wenn ich nicht Tina spiele, präpariere ich meine Haare so, dass sie unter die Perücke passen. Wir machen meistens mit dem Ensemble ein gemeinsames Gesangswarm up und ein gemeinsames Tanzen. Dann schminke ich mich, gehe anschließend in die Maske, bekomme meine Perücke auf und dann ist noch ein bisschen Zeit mit meinen Kolleginnen, mit denen ich die Garderobe teile, zu quatschen, anzukommen sich gemeinsam fertig zu machen. Wir hören Musik oder essen eine Kleinigkeit. Wenn ich Tina spiele bin ich schon drei Stunden vor der Show da um vor allem die Stimme noch ausgiebiger aufzuwärmen. Gerne laufe ich auch davor oder auf den Cross Trainer, weil es mir und meinem gesamten Körper und dem Zwerchfell eine gewisse Lockerheit gibt, die ich gut gebrauchen kann. Neben dem, dass es den Körper aufwärmt macht es auch die Stimme zugänglicher für mich. Dann gehe ich meistens, vielleicht ändert sich das auch wenn ich routinierter bin, aber bislang hatte ich erst vier Vorstellungen als Tina, ich meistens nochmal in meinem Kopf den Ablauf durch. Dinge von der vorigen Show, die ich mir selber vielleicht als note gegeben habe, die vielleicht noch irgendwie anders sein könnte oder besser oder falls ich einen Fehler gemacht habe. Manchmal bekomme ich auch vom Regisseur eine note und rufe mir nochmal alles ins Gedächtnis. Dann gehe ich in die Maske. Im Gegensatz zu den Ensembletracks wird Tina von der Maske geschminkt und auch die Haare werden von der Maske eingedreht, weil es eine sehr bestimme Art sein muss wie die präpariert sind. Denn es gibt sehr sehr schnelle Kostüm- und Perückenwechsel. Das ist wirklich ein sehr ausgefuchstes System (lacht). Dann bin ich in der Maske und dann gibt es einen Fight Call in dem alle Bühnenkämpfe einmal durchgemacht werden mit der Original Besetzung des Abends. Da sind auch die Kinder involviert, weil es auch Bühnenkampfszenen mit Kindern gibt, um sich da wirklich einmal zu verbinden mit den Personen, mit denen man heute spielen wird. Es ist wichtig das auch rein technisch durchzugehen, weil es auch viel mit Größenunterschieden zu tun hat. Wo man wie jemanden zu berühren hat. Das ist eine Sicherheitsmaßnahme und muss immer einmal durchgemacht werden vor jeder Vorstellung. Dann sind noch 25 Minuten um ins Kostüm zu gehen, mich hinzusetzen und meistens meditiere ich einen Moment, wenn ich es schaffe. Dann kommt die Perücke und ich bin zum Standby auf der Hinterbühne. Dann gibt es etwas, was wir alle immer machen: das ist der Standbykreis fünf Minuten vor der Vorstellung. Dort wird einmal die Besetzung gelesen und wir haben ein süßes Ritual das jede Person, die vorgelesen wird als Cover so einen kleinen Move macht (lacht) und dann applaudieren wir einander. Es gibt eine Person in unserer Cast, Dani, der meistens ein paar gute Worte vor der Show sagt, vielleicht dazu eine Aufgabe oder einen Gedanken den er uns mitgibt. Dann atmen wir alle zusammen ein und aus. Wir haben einen Leitspruch weißt du, wie eine Art Mannschaftsspruch und dann gehen wir alle auf Position und dann beginnt die Vorstellung.
KULTURHERZ: Das hört sich nach einem schönen Ritual an, aber auch nach einem sehr sicheren Raum, in dem man sich gut und wohl aufgehoben fühlt.
Madina Frey: Das kann ich bestätigen. Und das wusste ich auch wirklich nicht im Vorfeld, ob es so sein würde. Ich bin mit sehr viel Respekt vor den Leuten hierhergekommen. Und ich dachte, keine Ahnung was passieren wird, denn es ist auch eine Position die sehr komplex ist und wo ich mit wahnsinnig vielen Menschen sehr eng zu tun habe. Diese ganze Aufgabe kann damit bestehen und fallen mit welchen Personen ich umgeben bin. Dafür bin ich riesig dankbar und glücklich.
KULTURHERZ: Das hat sich auch sehr gut transportiert. Ich hatte den Eindruck zum Schluss Applaus, in der Vorstellung die ich mit dir als Tina gesehen habe am 13. Mai, dass dir sehr viel Liebe aus dem Ensemble geschenkt und entgegenbracht wurde.
Madina Frey: Das ist echt Premium (lacht) Liebespremium. Ich bin ja sonst eine von den Ikettes, normalerweise stehe ich da und wir sind zusammen und es ist so besonders, meine besten Kolleginnen genau hinter mir zu haben mit denen ich normalerweise hinter Aisata [Blackman] stehe und ihr die gleiche Unterstützung gebe um das jeden Abend zu machen. Ich meine die Show ist so anstrengend für Tina. So wahnsinnig anstrengend, dass es irgendwann zu dem Punkt kommt, an dem man so einen kleinen Push von hinten wirklich brauchen kann – und das tun wir füreinander.
KULTURHERZ: Mit Tina hast du nun eine große Herausforderung und spannende Rolle, die du spielst. Gibt es eine Traumrolle für dich?
Madina Frey: (überlegt) Die Theaterstoffe nehmen gar kein Ende. Ich glaube, wenn ich darüber nachdenke was ich gerne machen würde, kommt mir nicht als erstes eine Rolle in den Sinn, sondern eher welche Art von Geschichte ich gerne erzählen würde. Ich glaube, das ist mir ein bisschen wichtiger unabhängig davon welche Position ich dann davon Teil bin. Ich liebe es natürlich Lead zu sein und es ist mega cool alles von vorne bis hinten durchleben zu dürfen oder auch leiden zu können. Aber ich glaube das ist nicht mein Hauptanliegen, sondern ich mag es, wenn ich an einem Abend von einer Vorstellung weiß, jemand kann etwas mitnehmen und es hat eine gewisse Relevanz, vielleicht auch einen bildenden Aspekt. Ich weiß ich habe deine Frage jetzt umgangen, aber es ist für mich nicht so klar. Ich will vieles unterschiedliches erleben und ich liebe die Diversität, die mir offensteht. Meine letzte Rolle war Eliza Doolittle und die war fast das Gegenteil. Überall stecke ich am Ende des Tages drin und ich mag es durch die Formen zu wandern. Das finde ich spannend.
KULTURHERZ: Du hast die deutschsprachige Erstaufführung von Harry Potter in Hamburg gemacht und dort Rose gespielt. Wie war diese Erfahrung für dich?
Madina Frey: Ja das war total spannend. Ich liebte Harry Potter davor und liebe es auch jetzt, deshalb war es auch so cool, einfach davon ein Teil zu sein. Ich mochte auch meine Rolle Rose, auch wenn sie natürlich nicht so eine große Rolle war wie Tina, aber da war ich First Cast und hab die auch wirklich prägen und auf Deutsch neu erfinden dürfen. Das war sehr schön. Es war interessant die Übersetzungsarbeit mitzubekommen. Natürlich war die Übersetzung schon fertig, aber die war eben nur auf Papier und manche Dinge haben sich dann im Probenprozess geändert. Das war cool in diesem Sinne auch Teil der kreativen Arbeit zu sein. Es war wahnsinnig interessant mit dem britischen Team zu arbeiten, bei Tina war es genauso. Da war auch das Original britische Team in Stuttgart und hat alles mit uns eingeprobt. Es war schön bei Harry Potter auch mal im Schauspiel zu arbeiten.
Es hat mich selber überrascht, dass mir nie das Bedürfnis kam jetzt plötzlich zu singen, weil es einfach nicht gepasst hätte (lacht). Weil es nicht das Format ist, sondern einfach eben Sprechtheater zu machen war für mich glaube ich auch total fruchtbar, weil ich da auch ganz tolle Kollegen hatte mit denen es wunderbar war zu arbeiten, aber auch zuzusehen und von ihnen zu lernen. Toll fand ich es auch, dass es alterstechnisch sehr divers besetzt war. Es gab Kinder, es gab Dumbledore und alles dazwischen. Das war eine schöne und sehr familiäre Arbeitsatmosphäre. Ich habe die Rose sehr sehr gerne gespielt. Was sehr interessant war, war der öffentliche Aspekt, weil Harry Potter so eine krasse Fanbase hat. Wir hatten Kontakt mit Menschen, die uns angeschrieben haben und uns erzählt haben wieviel es ihnen bedeutet hat das Stück zu sehen, viele auch aus den sozialen Medien, während bei Tina das Publikum ganz anders ist und der Altersdurchschnitt definitiv höher ist. Man kommt etwas weniger in Kontakt mit den Leuten, die im Publikum sitzen. Auf technischer Ebene war es wahnsinnig spannend Harry Potter zu machen. Diese Art Produktionsgröße hatte ich vorher noch nie erlebt. Was alles auf und hinter der Bühne vor sich geht. Ich habe so viel erfahren über den Theaterbetrieb. Es wird ja auch gezaubert in der Show und da haben wir viel gelernt mit den Illusionen. Das war eine große Lernphase für mich. Und dass wir während Corona dort unter Vertrag waren, war ein großer Segen.
KULTURHERZ: Ich denke insbesondere in dieser schweren Zeit für alle Kulturschaffenden, haben wir festgestellt wie elementar wichtig Kultur ist: für jeden von uns!
Madina Frey: So wichtig! Wir waren ja ausgehungert und ehrlich gesagt, wenn wir keine Fernseher gehabt hätten und hätten keine Filme schauen können in der Zeit des Lockdowns: was zum Henker hätten wir gemacht? (lacht) Ich hätte mir gewünscht, dass dies allgemein ein bisschen mehr honoriert worden wäre, wie sehr Kultur zu unseren Grundbedürfnissen gehört.
KULTURHERZ: Vielen lieben Dank Madina, dass du dir die Zeit für unser Gespräch genommen hast und bewahre dir deine positive Art auf und hinter der Bühne.
Madina Frey: Ich danke dir und sehr gerne – bis bald.
KULTURHERZ: Frau Hellberg, Sie können auf viele große Musicalrollen zurückblicken.
Dagmar Hellberg: (lacht) Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen, aber es sind sicher um die 65 oder 70. Ein paar Rollen sind schon an mir vorbeigegangen, aber ich bin nicht traurig. Ich kann auf soviel zurückblicken. Die tollste Rolle für mich ist nach wie vor die Mrs Lovett in „Sweeney Todd“. Ich komme ja vom Schauspiel und auch dort gibt es keine Rolle die so grandios ist. 2018 habe ich sie zum letzten Mal an der Wiener Volksoper gespielt und ich dachte mir naja, such mal, vielleicht gibt es da noch was. Die Norma Desmond ist immer an mir vorbeigegangen, weil ich in anderen Produktionen war oder es hat sich so überkreuzt, dass ich es nicht machen konnte. Aber selbst die Rolle gibt schauspielerisch nicht das her, was die Mrs Lovett kann.
KULTURHERZ: Sondheim war sogar anwesend bei der Premiere an der Wiener Volksoper.
Dagmar Hellberg: Ja das stimmt. Er kam zur Premiere im Herbst 2013. Der Wahnsinn! Und ich habe sogar Fotos die das beweisen (lacht) Wir waren alle aus dem Häuschen. Ich hatte ja schon 2000 zum ersten Mal Sweeney gespielt und überall hat man versucht Sondheim zur Premiere zu bringen aber das hat nie geklappt. Und dann dachte ich: jeder versucht es halt. Aber dass es dann an der Volksoper hinhaut…
KULTURHERZ: Ein großer Coup!
Dagmar Hellberg: Ja genau. Ein Coup und ein großes Glück. Er war sehr angetan von der Inszenierung. Ich habe ihn dann gefragt, denn am nächsten Tag waren wir gemeinsam beim Heurigen, wie viele Produktionen er gesehen hat und er antwortete: gar nicht so viele. Er ließ sich nämlich vorher immer ein Video schicken, da er nicht lügen konnte. Wir hatten also Glück! Ich habe ja mehre Sondheim Shows gespielt. In Berlin meinen ersten Sondheim (überlegt). Oh Gott das muss so 1987 gewesen sein: „Company“ mit Steve Barton. Steve hatte ich bereits zuvor bei „Guys and Dolls“ kennengelernt. Das war mein erstes Musical am Theater des Westens. Weg vom Schauspiel und zum ersten Mal auf einer wirklich großen Musicalbühne. Ich habe immer Musik und Schauspiel getrennt. Damals in den 80er Jahren gab es eigentlich nur eine Adresse für Musical: Helmut Baumann und das Theater des Westens in Berlin. Die größten Talente spielten dort. Steve Barton, der heute allen die mit der Musicalszene etwas zu tun haben, auf der Bühne aber auch viele Fans, als der Krolock überhaupt aus „Tanz der Vampire“ bekannt ist. Ich hatte das große Vergnügen, die große Freude mit ihm „Guys And Dolls“ zu machen bei der Wiedereröffnung im Theater des Westens , er als Sky Masterson und ich als Sarah Brown. Das war für mich natürlich ein Einstieg! Jeder sagte: „Dein Partner ist Steve Barton!“ und ich sagte „So what?“ (lacht). Wir haben uns dann immer wieder getroffen und waren auch sehr gut miteinander befreundet… sein Tod war für mich ein harter Schlag. Er wollte noch zur Premiere von „Moby Dick“ nach Amstetten kommen. Er war zu der Zeit in Wien und an dem Tag rief mich sein Manager an und sagte Steve sei verstorben. Das war Wahnsinn. Vor vielen vielen Jahren meinte er schon zu mir „Du musst eines Tages die Mrs Lovett spielen!“ und ich sagte „Mrs Lovett, was ist das?“ „Wie das kennst du nicht?“ und so kam ich zum ersten Mal in Berührung mit Sondheim zurzeit von „Guys and Dolls“. Er brachte mir dann aus London eine LP mit und die habe ich dann zu Hause kopiert, aufgenommen. Während „Les Miserables“ bin ich zwischen Wien und München hin und hergefahren, da ich damals meinen Hauptwohnsitz in München hatte und hab dann meine Kassette mit Mrs Lovett ins Kassettendeck gesteckt. Und da habe ich damals gedacht „Boah, was ist denn das? Es kann doch nicht möglich sein? Die verarbeiten Menschen zu, in Österreich sagt man Fleischlaberl oder Buletten. Das kann doch nicht sein?“ Dann war ich aber hin und weg und ab dem Tag war ich irgendwie verhext von Sondheim. Dann kam „Company“ und ich habe noch hier „A Funny Thing Happened on the Way to the Forum“ gemacht und dafür bekam ich dann direkt einen Musiktheater Preis. Sondheim und ich – das ist eine Biografie für sich.
KULTURHERZ: Sie erwähnten, dass Sie 2018 die Mrs Lovett zum letzten Mal gespielt haben. Wird es eine Réunion mit ihrer Lieblingsrolle geben?
Dagmar Hellberg: Ich versuche ja immer wieder unseren Chef in München Josef Ernst Köpplinger, Staatsintendant des Gärtnerplatztheater, dazu zu bringen. Das dumme war in München ist „Sweeney Todd“ gelaufen bevor er ans Haus kam und das war ein solcher Flop und eine solch schlechte Inszenierung und hatte solch schlechte Besprechungen in den Medien, dass das Stück wie verbrannt dort ist und er traut sich das nicht in München zu machen. Das sind natürlich auch wieder Überlegungen und Erwägungen die ein Intendant haben muss, obwohl wir ja viermal gemeinsam Sweeney gemacht haben: Theater Akzent in Wien, Oper Graz, in Klagenfurt und dann die Volksoper. Insofern bin ich noch dabei ihn zu bearbeiten aber ich glaube das wird nichts mehr. Ich habe ja 25 Jahre in München gewohnt und da gab es gar nichts an Musicals, deswegen bin ich auch immer ausgewandert. In München gab es effektiv nur das Deutsche Theater und das Gärtnerplatztheater hatte damals eine ganz andere Struktur. Es gab fast keine Musicals außer „West Side Story“ und die anderen Klassiker wie „My Fair Lady“ aber etwas anderes wäre dort nicht möglich gewesen. So kam es dann auch, dass ich in Berlin hauptsächlich gearbeitet habe. Nach den Vereinigten Bühnen Wien mit „Les Miserables“ wo sich alles immer mehr nach Wien verlagert hat, war Helmut Baumann der „Urvater“ des Musicals wie man heute Musicals sieht. Und dann kam erst Wien. Aber nach dem Erfolg von „Cats“ in Wien gab es nur noch London, New York und Wien und dann eine lange Zeit nichts. Später kamen Hamburg, Stuttgart und andere Städte und dann wurde es Fast Food, was mir sehr weh tat. Denn so Stücke wie z.B. Sweeney hätte man dort nicht gespielt, denn es ist sicher nicht für eine breite Masse gedacht. Aber wer das einmal gesehen hat, ist begeistert. Die Volksoper hat das Stück nach dem der Film von Tim Burton gemacht ein, zwei Jahre später und da waren die jungen Leute mit Johnny Depp als Sweeney anders gepolt und sind natürlich ins Theater gegangen. Clever! In so einem Zusammenhang kann ich das auch wieder akzeptieren. Es ist viel Musik gestrichen im Film, die grandios ist. Es sind viele Chöre nicht drin, die in der Bühnenfassung stattfinden.
KULTURHERZ: Gibt es aus dem aktuellen Musical Repertoire Stücke, die Sie interessieren und Rollen die Sie gerne spielen möchten?
Dagmar Hellberg: Also ich muss jetzt ehrlich gestehen dadurch das ich rundum die Uhr beschäftigt bin an Häusern, komme ich gar nicht dazu mir neuere Sachen anzuschauen. Das bedeutet, ich sehe dann Ausschnitte in den Medien und sehe dort auch sehr interessante Sachen, aber nicht unbedingt wo ich eine Rolle für mich sehe, sondern wo ich sage: das ist spannend. Ich finde auch Rap Musicals echt super, denn es transportiert nochmal eine andere Message.
KULTURHERZ: So wie „Hamilton“?
Dagmar Hellberg: Genau. Da habe ich Ausschnitte verfolgt und das ist spannend. Aber ob da eine Rolle für mich drin ist, sehe ich ehrlich gesagt bei mir nicht aber ich finde so etwas super. Das habe ich so im Hinterkopf, sollte ich mal fünf Minuten Zeit haben werde ich es mir anschauen. Es gibt ja diesen Work in Progress, das hatte ja „Elisabeth“. Mein damaliger Plattenproduzent war Michael Kunze. Ich wollte damals eine Konzept LP mit meiner Rockband in München bei ihm im Verlag unterbringen. So kam ich letztendlich auch nach Berlin, denn mit Musical hatte ich eigentlich gar nichts zu tun. Wir wollten ein Projekt machen mit theatralen Effekten und mit dem Konzept bin ich zu Michael gegangen, weil ich ja bei ihm unter Vertag war und er meinte: „das ist ja fast wie ein Musical, mit sowas kann man kein Geld verdienen“. Sieben, acht Jahre später hatte er dann „Cats“ übersetzt, dann „Evita“ und plötzlich war er im Musical Bereich aktiv und damit glaube ich sehr gut Geld verdient (lacht)
KULTURHERZ: „Freudiana“ war das ambitionierte Musical von Eric Woolfson über Psychoanalyse. Können Sie vom Prozess der Produktion erzählen?
Dagmar Hellberg: Wir haben es in Wien gespielt und bis zum heutigen Tag wurde es nirgendwo mehr aufgeführt – alles irgendwie aus „politischen“ Gründen. Leider hat sich Brian Brolly, der damals vom West End Produzent war mit Eric Woolfson von Alan Parsons Project überworfen. Immer wenn der eine es nochmal machen wollte hat der andere interveniert und umgekehrt. Die beiden haben sich gegenseitig blockiert, weil sie fifty fifty Anteilseigner waren der Rechte und „Freudiana“ ist für mich nach wie vor der Hammer. Das kam wirklich 10, 15 Jahre zu früh. Die Show hat aber das Theater an der Wien deshalb vorgezogen, obwohl „Elisabeth“ schon fertig war, weil man dachte man muss unbedingt die Brücke schlagen über den nur rein deutschsprachigen Raum hinaus als erstes Musical in der Branche nach England, West End. Die internationale Presse wäre so auch dabei denn die Österreichisch deutsche Presse hätte mit einem Bashing das Stück vernichtet. Das war bei „Elisabeth“ ja auch so am Anfang. Also solche Kritiken wie bei „Elisabeth“ das hatten nicht mal wir mit „Freudiana“. So schlimm. Ganz schlimm. Also was Schlimmeres hab ich noch nie gelesen. Und ich muss sagen das Musical hat im Laufe der Jahre den work in progress durchlebt. Die Elisabeth war ja am Anfang als Charakter nicht vorhanden. Nur für den Song „Ich gehör nur mir“ und sonst war ja nix als Rolle. Sie hat immer nur reagiert, sie hat nie agiert. An ihr wurde sich vergangen, ob es nun Lucchini war oder der Tod. Sie war immer die Erleidende. Und das Musical heißt aber „Elisabeth“ und da denke ich mir warum agiert die nie? Es war nicht so geschrieben aber später dann schon. Es kamen dann Songs dazu, deshalb kann ich mir sehr gut vorstellen das so ein work in progress das plötzlich irgendwas was vielleicht irgendwann mal gefloppt ist wiederkommt dann aber in einem anderen Gewand. Und plötzlich sich durchsetzt. Wir hatten ja jetzt eine Uraufführung mit Mata Hari am Gärtnerplatz. Da ist auch eine spannende Sache quasi zwei Welten: die reale und die Gedankenwelt mit zwei verschiedenen Musikstilen. Das eine wie ein klassisches Musical, komponiert wie „Sweeney“ wie „Les Miz“ und die andere Welt Popsongs mit Gedanken, die in der Figur sich abspielen und das war schon sehr spannend. Wir können natürlich nicht ensuite spielen, weil „Elisabeth“ ist auch deshalb zum Erfolg geworden in einem normalen Haus hätte man das abgesetzt. Weil es so schlechte Kritiken hatte und weil dann auch am Anfang zu befürchten war, dass die Leute nicht rein gehen aufgrund von schlechten Besprechungen. Wenn ich jetzt sage, lass das Stück zehn Jahre laufen dann wird es zum Hit. Es kommt eine Fangemeinde, die sicher auf irgendwas abfahren. Die sind ja auch abgefahren auf Uwe Kröger, den ich davor schon konnte. Mit ihm habe ich „Jesus Christ Superstar“ gespielt und bei der Audition habe ich zu ihm gesagt: „du musst einfach dein Hemd aufmachen und da reingehen. Die suchen einen David Bowie Typ, geh da rein und mach das!“ In manchen Sachen ist die Typebesetzung ganz ganz wichtig. Das stimmte dann ja auch, weil er musste in der Figur eine besondere Ausstrahlung haben, der man sich nicht entziehen kann in so einer exponierten Figur.
KULTURHERZ: Mit Angelika Milster haben Sie das Duett „Ich kann ihn verstehen“ aufgenommen. Warum ist es damals nie zu einer deutschen „Chess“ Produktion gekommen?
Dagmar Hellberg: Wir haben ja beide gedacht, die Angelika und ich, dass „Chess“ ganz bestimmt gemacht wird. Jetzt ist die Show in London gefloppt und dann hat man sich hier nicht mehr getraut es zu machen. Der damalige Regisseur Michael Bennett ist erkrankt und aus der Produktion ausgeschieden. Danach wurde das Stück ein großes Durcheinander und Sammelsurium und so eine problematische Produktion. Ein großartiges Musical. Es ist oft konzertant gemacht worden, aber ich weiß auch nicht warum da nichts mehr kam damals. Was dann bühnentechnisch damit gemacht worden wäre weiß man nicht, aber mit Sicherheit wären wir damals, die Angelika und ich, zur Audition gegangen. Wir hatten ja immer die Situation damals, dass wir immer gegen die ganze Welt Auditions machen mussten. Steve Barton hat immer gesagt: „Heirate einen Amerikaner dann hast du die Green Card und dann kannst du nach Amerika kommen!“ Wenn dem nicht so ist, dann muss man drei Jahre durch die Provinz tingeln bis man dann endlich die Zulassung und die Equity Card bekommt. Und in England war das genauso. Steve Barton durfte nur den Raoul in London spielen, weil Sarah Brightman im Austausch als Engländerin am Broadway spielen durfte. Also ich konnte nicht nach England ans West End wobei heute viele sagen die von England jetzt bei uns arbeiten als Choreographen oder Regisseure: „du könntest jetzt noch in England an vorderster Front“. Danke, ich pack hier in Europa schon dauernd die Koffer das reicht. (lacht)
KULTURHERZ: Aber das West End wäre doch sicher eine tolle Erfahrung in Ihrer Karriere.
Dagmar Hellberg: Ja, nach dem ich so viele Kollegen hatte die mir davon erzählt haben brauche ich die Erfahrung eigentlich nicht. Ich werde bald 70 das sage ich so, wie es ist und was soll ich mit 70 Jahren jetzt noch am West End? Zu der Zeit wo es möglich war und wo ich die Lust gehabt hätte das auf jeden Fall zu machen, war es von der wirtschaftlichen und politischen Situation aus einfach nicht möglich und als dann über die EU die Lockerungen kamen da war ich hier schon so beschäftigt mit den besten und größten Rollen dass ich natürlich nicht nach London gehe zu einer Audition. Wir haben uns auch hier immer den Auditions stellen müssen. Da kamen dann alle die am Broadway, in England oder sonst wo hochkarätig sind. Bei der Menge von Menschen gibt es aber nur eine Rolle. Da ist es natürlich klar, dass die weltweit geschaut haben auf Auditions wo sie spielen können. Wir hatten ja auch in Wien die internationalen Leading Teams die dann auch wertfrei ausgewählt haben und die einzelnen Leute vor Ort gar nicht kannten. Die haben es einfach nur präsentiert bekommen und konnten sagen: „Der oder die..“ Ich bin sehr stolz darauf, dass ich in so vielen Auditions gegen die Welt angetreten bin und Kollegen mit mir. Es wissen nur wenige, dass das bei uns so ist und wir haben ja auch heute noch den offenen Markt.
KULTURHERZ: Denken Sie zu viele Produktionen werden mit den immer gleichen Besetzungen gecastet?
Dagmar Hellberg: Inzwischen wahrscheinlich schon denke ich. Es gibt ja auch Darsteller, ob das jetzt ein Uwe Kröger oder eine Maya Hakvoort ist, die man aus den Produktionen kennt und das dann Besetzungen gemacht werden, weil man das dann weiß: wenn jemand immer gut ist und da ist an vorderster Front dann wird das irgendwann auch honoriert. Wir sehen ja auch, dass an der Volksoper Fans von den Vereinigten Bühnen jetzt hier sehr wohl Abonnenten sind und das wir die jungen Leute mit rüber gezogen haben. Ich habe so ungefähr 55, 60 Musicals gespielt. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen. Jetzt sind schon wieder 3 oder 4 Uraufführungen dazugekommen das bedeutet da kommt schon einiges zusammen.
KULTURHERZ: Sie sind seit einigen Jahren Ensemblemitglied am Staatstheater am Gärtnerplatz. Ist es für Sie spannender Repertoire oder Ensuite zu spielen?
Dagmar Hellberg: Ich bin kein Feind von Ensuite spielen, denn das hat auch ganz große Vorteile. Man einen solchen Vorlauf das man z.B. ausprobieren kann Nuancen zu setzen. Heute spiele ich die Rolle der Mutter Oberin in „Sister Act“ biestiger, mal schauen was passiert oder heute spiele ich sie mit einem positiven Kern. Man kann probieren gewisse Pointen zu setzen. Mit etwas mehr Lautstärke, mit etwas weniger. Mit etwas mehr Pausen oder weniger Pausen. Das kann man im Repertoire, wo man dauernd etwas anderes macht in dieser Form nicht unbedingt. Dort fährt auch manchmal etwas in die Quere, weil z.B. das Tempo des Dirigenten zu langsam ist. Manchmal kämpft man damit oder mit jenem und muss oft spontan und aus dem Bauch heraus reagieren. Es ist immer gut, wenn man offenbleibt und jede Vorstellung immer wieder frisch erlebt. So sollte es eigentlich auch beim Ensuite spielen sein. Das ist natürlich schon die Kunst immer wieder bei Wiederholungen ein Level zu halten und wo man sagt das war gut gestern das sollte ich konservieren und versuchen wiederherzustellen. Erst dann bleibt das auch spannend. Beim Repertoire Spielen fängt man immer wieder mit einer gewissen Unsicherheit in der Rolle an. Wenn man viele Stücke im Wechsel hat, bekommt man manchmal einen Drehwurm. Mir ist es einmal passiert da habe ich in Wien „Elisabeth“ gespielt, zeitgleich „Sister Act“ und an der Volksoper lief „Sweeney Todd“ und dann bin ich aus dem Haus, da habe ich im 9. Bezirk gewohnt und bin in die falsche Richtung zur U4 runter und zum Ronacher gefahren und hab dann festgestellt: ich bin ja heute in der Volksoper. Sowas kann dann schon mal passieren (lacht)
KULTURHERZ: Was war Ihre längste Ensuite Produktion, in der Sie engagiert waren?
Dagmar Hellberg: Die haben sich alle ungefähr die Waage gehalten. Es war ca. immer 1 ½ Jahre das waren „Sister Act“, „Jekyll & Hyde“ und „Les Miz“, „Freudiana“ auch. Die meisten Produktionen bei den VBW laufen alle so 1 Jahr und wurden dann meistens für ein halbes Jahr verlängert, wenn ich mich recht erinnere.
KUTURHERZ: Sie haben mit vielen bedeutenden Regisseuren gearbeitet…
Dagmar Hellberg: Ja genau. Ich finde es heute noch sehr traurig, wie er damals verabschiedet wurde hier in Wien. Er hatte seine Supervisor Funktion, von der auch das Theater an der Wien viele, viele Jahre gelebt hat. Ennio Morricone, Stephen Schwartz und viele andere Broadwaykomponisten hatte er für „Tanz der Vampire“ vorgesehen, was dann in anderer Konstellation zustande kam. Er war wirklich jemand der einen ernsthaften Anspruch hatte kreative Menschen zusammenzubringen, um konstant großartige Sachen zu machen. Er wollte einen deutschsprachigen Broadway begründen. Ich habe mit wahnsinnig tollen Regisseuren gearbeitet. Mit Prof. August Everding habe ich in Berlin am Theater des Westens „Oliver“ gemacht, ein Nationalheiligtum in England und ein tolles Musical, was viel zu selten gemacht wird. Natürlich in der Zeit in Berlin noch Arbeiten mit Prof. Götz Friedrich in Zusammenarbeit mit Helmut Baumann, der damals noch Spielleiter für die Sparte Musical am Haus war. Dann hat man natürlich einen Blick darauf wie gearbeitet wird und wie sich auch Dinge verändern in der Arbeit, Manchmal (lacht) wünscht man sich auch dies oder das zurück. Es gibt auch junge Talente mit Fundament die nachgewachsen sind. Josef Köpplinger war 1992 bei einer „Evita“ die ich gespielt habe im Publikum, weil sein damaliger Lebensgefährte den Magaldi spielte. Nach der Vorstellung kam er und sagte: „Hören sie Frau Hellberg, wir müssen mal unbedingt was zusammen machen.“ Und so lernten wir uns kennen und dann hat das sieben Jahre gedauert – 1999 hab ich gelesen das er „Blutsbrüder“ machen will, auch so ein grandioses Musical. Dann bin ich zur Audition gegangen und so haben wir uns dann wieder getroffen. Das war wahnsinnig toll mit ihm. Auch die Arbeit mit Werner Sobotka, den ich immer sehr geschätzt habe, was er für Sachen hat: Mit ihm habe ich ein wahnsinnig tolles Musical gemacht. In Österreich wurde es nicht so gut besprochen, was ich ehrlich gesagt bis zum heutigen Tag nicht verstehen kann. In Deutschland dagegen haben sie sich überschlagen. Das war „Moby Dick“ und lief in Amstetten. Das war grandios. Ich liebte das. Ich habe einen Mann gespielt (lacht) was sehr spannend war: Captain Ahab.
KULTURHERZ: Es stellt sich mir oft die Frage: Warum nicht etwas mehr Vielfalt in den Spielplan bringen? Braucht es wirklich noch eine „My Fair Lady“?
Dagmar Hellberg: Ja mit der Vielfalt ist so das Problem: die kleineren Häuser müssen teilweise auf Hits setzen. Die können nicht so viele try outs machen. Das der Josef so viele Uraufführungen macht liegt eben auch an seiner Künstlerseele das er sich das traut und daran, dass er Chef in seinem eigenen Haus ist.
KULTURHERZ: Und er hat die Rechte für „Les Misérables“ in der Spielzeit 23/24 bekommen. Ist da eine Madame Thénardier für Sie dabei?
Dagmar Hellberg: Ist das schon raus (lacht). Ja sicher (lacht) Für mich schließt sich da der Bogen. Die Fantine gespielt zu haben in Wien damals im 2. Jahr, weil in der Zeit davor haben sich zu viele Produktionen überschnitten. Ich bin ja auch eine treue Seele. Ich habe damals mehrfach Evita gespielt, dann habe ich die Audition für Fantine gemacht, aber da wusste man noch nicht wann es wirklich kommt und als ich dann zu groß überschnitten hat mit Terminen dann haben sie es damals nicht wagen wollen das ich zu viel weg bin. Ich habe damals gedreht und kaum war ich in Wien und hab die Longruns gespielt durfte ich keinen einzigen Drehtag mehr annehmen. So war es damals auch mit Les Miz dann ar gar nichts möglich aber dann im 2. Jahr wo der ruf mich ereilte dann hat es gepasst. Damals die Fantine und heute die Madame Thénardier.
KULTURHERZ: Eine wunderbare Rolle.
Dagmar Hellberg: Ja, ich liebe sie. Ist das nicht der größte Gag, wenn sie das Besteck klaut und es fällt ihr unten aus Versehen aus dem Rock raus mit Geschepper und sie schaut zum Himmel rauf? Wo kam das jetzt her? (lacht) Großartig, denn ich spiele so gerne komödiantische Rollen. Das ist auch das großartige an der Lovett das sie eine Verliebte, einen Verrückte, eine Mörderin, eine Enttäuschte, Frustrierte, eine Komödiantin, intelligente, bösartige. Die Texte sind grandios – wo kann man sowas spielen? Eine Rolle mit solch vielen Facetten gibt es nicht. Ich suche schon seit so vielen Jahren, auch im Schauspiel.
KULTURHERZ: Da fällt mir die Mama Rose in „Gypsy“ ein…
Dagmar Hellberg: Ja, die habe ich ein paar Mal angeboten bekommen aber sie ist eine so unsympathische Kuh (lacht). Ich hätte sie sicher hervorragend unsympathisch gespielt aber meistens hat es auch nie richtig zeitlich gepasst. Dadurch ist die Rolle zu Recht an mir vorbei gegangen. Ich musste mich nicht mit Tränen in den Augen davon distanzieren. Von A-Z: von der echten Nonne bis zur Lovett ist es ein weiter Weg (lacht). Sieben Jahre lang musste ich in jedem Stück sterben. Das war zu Les Miz Zeit. In Les MIz gleich zweimal. Die Fantine kehrt ja wieder in der originalen Inszenierung als Straßenjunge und rennt auf der Barrikade rum das wissen viele nicht. Satte 3 Stunden 20 Minuten dauerte die Original Inszenierung in Wien. Und dann stirbt man auf der Barrikade nochmal. Im Schweiße des Angesichts, denn damals hatte das Raimund Theater keine Klimaanlage. Wir hatten im Sommer dicke Wollstrümpfe, massive Schuhe und etliche Schichten an Jacken und Mänteln. Wir haben sowas von geschwitzt und auf der Barrikade lief der Schweiß verkehrt herum in die Augen rein, weil man so ermordet drüber hing. Und dann erinnere ich mich an eine Vorstellung da war es so um die 36 oder 37 Grad heiß und es war noch keine Fanfare geblasen zum ersten Angriff auf die Barrikade. Plötzlich fällt meine Kollegin, Ruth Hale um. Und wir dachten, man die spielt aber gut. Sie ist aber tatsächlich ohnmächtig geworden vor Hitze. Und wir haben sie dann abgeschleppt von der Bühne und wieder aufgepäppelt – so heiß war das.
KULTURHERZ: Die Arme! Das ist natürlich ein tragisches Schicksal, aber gab es bei Ihren Vorstellungen mal Momente, die nicht optimal funktioniert haben: kleinere oder größere Patzer?
Dagmar Hellberg: Ja zum Beispiel meine Premiere in „Les Miz“ – es rangelten sich ja sehr viele um die Rolle der Fantine und als ich dann ans Haus kam wusste ich nicht, wem das Haus alles die Rolle versprochen hatte im Vorfeld. Da waren natürlich einige sehr frustriert. Und was soll ich sagen? Man kann jetzt dran glauben, dass zwischen Himmel und Erde so manche Dinge stattfinden, bei denen kein Mensch weiß warum sie geschehen. Jedenfalls kam ich ans Haus und alle Männer der Besetzung waren entzückend und toll zu mir, alle Frauen waren aber biestig und es gab wirklich Szenen in der Fabrik wo wir geprobt haben wo ich gemobbt wurde und gebasht. Die Kolleginnen haben mich wirklich heftig und echt. Da dachte ich: wo bin ich jetzt hingekommen? Machen die jetzt Method Acting, bloß a bit too much? Oder meinen die das jetzt wirklich so? Ich war total verblüfft was da so abgeht. Dann passierte in meiner Premiere folgendes: ich musste als Fantine als eine der ersten in die Maske weil ich fast zu Beginn auf der Bühne war und meine Garderobiere, wir kannten uns beide von „Freudina“, wir liefen so Arm in Arm die Treppen runter im alten Raimund Theater und unten war der Boden gefliest wie in einem Badezimmer. Und zack – wir beide rutschten aus und knallten hin und ich habe mir das Sprunggelenk dabei gebrochen. Meine Perücke fehlte noch, aber ich war ansonsten komplett im Kostüm inklusive der Stiefel und da saß ich jetzt und war kurz ohnmächtig und mein Rock war komplett nass. Vor 100 Jahren gab es mal einen Theaterbrand in Wien und seitdem kommen immer die Feuerwehrleute und checken im gesamten Haus die Schläuche die in den Wänden eingebaut sind ob alle funktionieren. Die haben also das Wasser in den Gang gespritzt und ich bin prompt ausgerutscht. Dann kam die Produktionsleitung und sagte: „Dagmar, kannst du denn überhaupt knien und dich bewegen?“ „Ja, kann ich schon ich habe mir wahrscheinlich nur den Fuß verstaut. Jetzt zieh mal die Stiefel aus“ „Nein, ich zieh nicht den Stiefel aus“ (lacht) Ich geh auf die Bühne!“ Ich habe schon befürchtet das es schlimmer ist. Ich musste den Schuh ausziehen und dann war aus. Meine Premiere war gelaufen. In der Nacht zurück nach München und am nächsten Tag wurde ich sofort operiert mit einer Platte ins Sprunggelenk rein und drei Wochen später war ich wieder da und konnte endlich meine Premiere als Fantine spielen.
KULTURHERZ: Und nun spielen Sie an der Wiener Volksoper Fräulein Schneider, eine Rolle in der Lotte Lenya damals bei der Uraufführung am Broadway zu sehen war und die die Rolle sehr geprägt hat.
Dagmar Hellberg: Oh ja! Mit Fräulein Schneider ging es mir allerdings zunächst so, wie mit der Golde in „Anatevka“. Zuerst dachte ich die Rollen geben nicht viel her, aber dann habe ich es gespielt und gemerkt was da möglich ist und was dahintersteckt und wie grandios „Anatevka“ ist. So ähnlich ging es mir mit Fräulein Schneider auch. Die Bühnenfassung ist natürlich im Vergleich zum Film das Fräulein Schneider lastigere. Sally Bowles und Fräulein Schneider sind fast gleich berechtigt in der Bühnenfassung. Die Entwicklung von Fräulein Schneider als Sympathieträgerin mit Herrn Schultz ist tief und geht dem Publikum direkt ins Herz. Mit den beiden passiert ja wirklich schreckliches und daran manifestiert sich ja was historisch in der Folge passierte im Dritten Reich. Dann dadurch diesen Bogen zu spielen ist eine ganz tolle Herausforderung. Insofern spiele ich das wahnsinnig gerne. Was ich gerne von Sondheim gespielt hätte wäre „Follies“. Ich habe damals in London eine grandiose Inszenierung mit Diana Rigg gesehen. Diese grandiosen Texte von Sondheim sind sehr, sehr schwer und kompliziert zu übersetzen. Im deutschen brauchen wir länger um etwas auszudrücken, viel mehr Silben als im Englischen. Und wo man im Original 4 oder 5 Gags hat, hat man im deutschen 2 oder 3. Aber „Follies“ wäre schon toll zu spielen. Wer weiß. Aber irgendwann muss auch mal weniger sein.
KULTURHERZ: Sie denken daran kürzer zu treten?
Dagmar Hellberg: Ja, aber man lässt mich nicht. Ich werde ja nie krank. Ich habe in all den Jahren nur eine Vorstellung nicht spielen können für die ich eigentlich vorgesehen war das war bei den Vereinigten Bühnen Wien, denn bei den Longrun Produktionen ist das am gefährlichsten das etwas passiert. Zwischen Weihnachten und Neujahr hatte ich eine Zahn OP und mit dieser Haube der Mutter Oberin und dann eine dicke Backe wäre das ganz blöd gewesen. Meine Zahnärztin sagte: ich muss ihnen ein Loch bohren, weil ansonsten haben Sie morgen so ne Backe. Das konnte ich natürlich nicht brauchen denn so viele Mädels hatten Weihnachtsurlaub und wir hatten dann auch Unterbesetzung, weil wir brauchten 26 Nonnen auf der Bühne. Es war überhaupt eine der schönsten Produktionen. So viele Frauen, da dachte ich zuerst das wird furchtbar aber nein – es war großartig! Wir haben uns alle super verstanden. Da bin ich nur einen Tag ausgefallen aber am nächsten Tag war ich wieder da. Die ganze Nacht habe ich mit Eis gekühlt, von unten von oben von allen Seiten. Ich hatte auch kein Corona. Jetzt ist der Druck natürlich wahnsinnig groß, denn dann sagt mir der Josef: wen soll ich denn dann besetzen, wenn du sagst du möchtest weniger machen?
KULTURHERZ: Aber darauf hat er sich zum Glück noch nicht eingelassen?
Dagmar Hellberg: Nein, ungern (lacht) jetzt mit der „Rockin‘ Rosie“ das ist wirklich hart. Diese Uraufführung die wir in München gemacht haben. Niemand wusste, dass der Peter Lund für uns zu siebt ein Stück schreibt wo ich 90 Minuten ohne Pause auf der Bühne bin. Bei Uraufführungen weiß man ja vorher nicht was rauskommt. Und dann wurde das Stück so mega besprochen. Die Intimität ist auch großartig, weil es auf der Studiobühne spielt. Weil es so gut besucht war wollte Josef es auslagern auf die große Bühne, aber ensuite spielen kann ich das nicht.
KULTURHERZ: Sie haben immer sehr viel Wert auf Ihr Privatleben gelegt..
Dagmar Hellberg: Das ist genau der Punkt. Ich bin zwar für die meisten Menschen dieses Bühnentier und dann steh ich da und mach so gut ich kann. Für mich ist aber das Privatleben ganz wichtig. Ich habe auch drei Jahre gar nichts gemacht im Job. Ich wollte unbedingt bei meinem Kind sein durchgehend und ich habe nichts vermisst. Es glaubt mir keiner, alle denken ich kokettiere damit aber es stimmt. Es ist schon schwierig alles zu vereinbaren. Aber so militant auf Privatleben zu verzichten wie andere, das würde ich nicht.
KULTURHERZ: In den 90ern sollten Sie die Isabella in „Gaudí“, dem Musical von Eric Woolfson spielen, hatten das Promo Album aufgenommen und dann kann auf einmal alles ganz anders.
Dagmar Hellberg: 10 Jahre durfte ich nicht darüber sprechen, weil es eine spezielle Vereinbarung gab. Aber sie können darüber berichten, weil nun alles vergessen und vorbei ist. Da es aufgrund meiner Schwangerschaft zunächst nicht ging, wurde „Gaudí“ zuerst in Aachen, dann zu einem späteren Zeitpunkt im Musicaldome in Köln gezeigt und dann kam erneut die Anfrage ob ich es denn jetzt spiele. Eric Woolfson hat die Rolle der Isabella für mich geschrieben, was ich nicht wusste. Beim Schreiben hatte er mich im Kopf: jemand der Rock aber auch Balladen singen kann. Wir kannten uns von „Freudiana“ in und auswendig und dann wollte ich es machen wegen Eric, aber es hat mich auch gereizt. Dann ereignete sich folgendes: Einer Kollegin von mir, empfahl ich zur Audition zu gehen, weil eine Zweitbesetzung gesucht wurde. Währenddessen habe ich die CD für „Gaudí“ aufgenommen. Dann kam meine Kollegin von der Audition zurück und sagte: „Dagmar, da läuft was ganz Komisches. Die sagen da gibt es eine Darstellerin und die wird die Erstbesetzung.“
Und ich hatte schon den Vertrag. Das war im November und im Februar riefen mich Eric Woolfson und Elmar Ottenthal an, der damals Intendant in Aachen war und dann auch die Inszenierung in Köln machte. Der Produzent der Show, ich habe den Namen verdrängt, hat sich bei den Auditions in Renee Knapp verliebt und wollte das sie die Hauptrolle in Köln spielt. Sie hätte dann bei den Proben alles von mir kopiert was ich mache und dann langsam aber sicher mich auf immer weniger Vorstellungen im Monat runter gestuft, um dann Knapp groß rauszubringen. Eric Woolfson und Elmar Ottenthal haben gesagt da machen sie nicht mit und dann gab es einen Kampf zwischen den beiden und dem Produzenten. Anfang April hätten die Proben anfangen sollen und ich hatte schon alles vorbereitet. Ich habe auch keine Auditions mehr gemacht für andere Produktionen und war schon auf Wohnungssuche. Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn ich alles schon weiter vorbereitet hätte und dann wäre sowas passiert! Die beiden meinten sie hätten in den Verträgen dummerwiese drinstehen, das die endgültige Entscheidung für die Besetzung dem Produzenten überlassen ist. Es waren schon Plakate raus, es wurde mit meinem Namen geworben es waren die Rechte an der CD da. Man hat mir einen Anwalt in München empfohlen mit dem ich gegen die Produktion eine gütliche Einigung getroffen habe. Dann wurde ich mit einer Art Entschädigung ausbezahlt.
KULTURHERZ: Weil ihnen natürlich viele Jobs und Möglichkeiten entgangen sind.
Dagmar Hellberg: Ich habe tatsächlich 1 ½ Jahre keinen Job mehr gehabt und im Gegenzug durfte ich aber nicht über die Hintergründe sprechen. Was Renee Knapp heute macht weiß ich nicht, aber ich weiß, dass der Produzent sich total überworfen und sich mit der Produktion verschuldet hat. Aber so war das. Viele Dinge passieren. Die meisten glauben immer man macht so einen Geradeaus Durchmarsch – da stimmt natürlich nicht. Es gibt immer wieder Enttäuschungen und irgendwelche krummen Dinge, die man dann später erfährt. Eric Woolfson lebt leider nicht mehr. Ich habe immer noch gehofft, dass irgendwann „Freudiana“ wiederkommt. Das wäre sicherlich heute Kult. Und Moby Dick würde ich sofort wieder spielen. Ich habe den Werner Sobotka damals gefragt warum er mich als Ahab besetzt hat und da hat er zu mir gesagt: „Weil du der beste Mann warst.“ (lacht)
KULTURHERZ: Danke liebe Frau Hellberg für das angenehme und äußerst interessante Gespräch.
Dagmar Hellberg: Ich danke Ihnen, Herr Konrath. Es hat mir großen Spaß gemacht!
KULTURHERZ: Frau Soetenga, Long Run Musical Produktionen versus Stadt- und Staatstheater Inszenierungen – welche Konstellation bevorzugen Sie, was sind Ihrer Meinung nach die Vor- und eventuelle Nachteile?
Femke Soetenga: Die Konstellation, so wie ich sie in den letzten Jahren erlebt habe, war für mich einfach perfekt: Ich hatte viel Abwechslung zwischen Long Run-Produktionen und Stadt- bzw. Staatstheater-Inszenierungen!
Die Vorteile einer Long Run-Produktion sind natürlich, dass man sich darauf einstellen kann, den Fokus auf eine Produktion zu haben. Man hat auch die Sicherheit, über längere Zeit eine Arbeit zu haben. Long Run-Produktionen arbeiten mit reinen Musical-Ensembles – das hat durchaus Vorteile – allerdings ist es auch eine schöne Herausforderung, an Stadt- und Staatstheatern mit Schauspielern, Tänzern und Opern- bzw. Operettensängern zu arbeiten und verschiedene Stile unter einen Hut zu bringen.
Der Vorteil einer Stadt- und Staatstheater-Inszenierung ist, dass ich dadurch mehrere Produktionen gleichzeitig machen kann – das bedeutet für mich sehr viel Abwechslung, aber auch viel Aufwand. Denn es zieht natürlich auch viele Reisen nach sich, was nicht nur positiv ist, denn mein Leben wird dadurch sehr unstet.
KULTURHERZ: Sie haben die Rolle der Evita bereits in Dresden, Nordhausen und nun in Pforzheim gespielt. Wie unterscheiden sich Ihre Interpretationen in der Arbeit mit den verschiedenen Regisseuren?
Femke Soetenga: Der größte Unterschied ist, dass sich die Rolle sehr stark entwickelt hat – dadurch, dass ich mich sehr stark entwickelt habe. Es ist mittlerweile neun Jahre her, dass ich die Rolle der Evita zum ersten Mal in Dresden gesungen habe. Ich habe sehr viel gelernt über mich, und das fließt natürlich auch in die Rolle mit hinein. Jeder Regisseur hat zudem eine andere Vorstellung: Nicht unbedingt, wie die Rolle zu interpretieren ist, sondern wie man die Geschichte insgesamt auf die Bühne bringt; das hat auch ganz viel mit den Kostümen und dem Bühnenbild und der Erzählperspektive zu tun: Wie viel hat die Figur des Che als Erzählerfigur zu sagen; wie ist die Beziehung der beiden – entweder gibt es einen Konkurrenzkampf zwischen den beiden oder eine eher „herausfordernde“ Beziehung.
KULTURHERZ: Welche Rolle aus Ihrem Repertoire würden Sie gerne noch einmal spielen, und was würden Sie möglicherweise anders gestalten?
Femke Soetenga: Es gibt eigentlich viele Rollen, die ich gerne nochmal spielen würde. Nicht, weil ich die Rolle anders gestalten würde, sondern weil jede Rolle im Nachhinein bei mir bestimmte Erinnerungen weckt und ich dann denke: „Das war besonders schön!“. Da gibt es für jede einzelne Rolle auch einen unterschiedlichen Grund: Also z.B. würde ich gerne nochmal „Singin‘ in the rain“ machen, weil ich da wieder einmal steppen könnte, „Rebecca“ wegen der wunderschönen Lieder, „Jekyll & Hyde“ wegen der tollen Musik und der Geschichte, die unter die Haut geht, „Chess“ ist toll wegen der ebenfalls wunderbaren Geschichte und der Zerrissenheit der Florence. Bei jeder Rolle ist es so – wenn sie eine Weile „liegt“ und ich sie dann wieder aufnehme, dann hat sie noch mehr Tiefe. Dann ist die Rolle einmal entstanden und ist in meinen Körper übergegangen. Dadurch, dass sie sich gesetzt hat, kann man noch mal „eine Schippe drauflegen“ – das ist quasi wie ein Geschenk für mich!
KULTURHERZ: Mit welche*m Künstler*in, verstorben oder lebendig, würden Sie gerne einen Abend verbringen und warum?
Femke Soetenga: Da denke ich zuerst an Meryl Streep, weil sie sehr ‚method acting‘-mäßig arbeitet und es mich sehr interessieren würde, wie sie an ihre Rolle herangeht und da eintaucht. Musikalisch würde mich Ella Fitzgerald interessieren, um das Jazz-Fach noch besser zu verstehen. Es gibt so viele Künstler – aber das sind nun die ersten beiden, die mir einfallen….
KULTURHERZ: Welches Musical denken Sie schlummert zu Unrecht im Verborgenen und bedarf eines großen Publikums?
Femke Soetenga: Ich kenne wahrscheinlich gar nicht alle Musicals. Es werden jeden Tag neue Musicals geschrieben – und das finde ich großartig. Ich verstehe, dass das Gros des Publikums gerne in ein Stück geht, bei dem es weiß, um welche Geschichte es sich handelt und welche Musik einen erwartet. Für uns Künstler ist es natürlich super-interessant, Rollen in kleineren Produktionen oder auch Neuentwicklungen zu spielen, da wirklich großartig sind, die aber schwierig zu vermarkten sind. Wir als Künstler finden das super und manchmal kann man da auch Hinweise einfließen lassen, z.B. bei einem Konzert. Es bedarf aber auch an Offenheit und Freude des Publikums. Ich würde mir wünschen, dass es kleinere Spielstätten gäbe, die sich an solche Risiken wagen und dass es vom Publikum her Interesse gibt, so dass sich der Aufwand dann auch lohnen würde.
„Thoroughly modern Millie“ wäre noch ein tolles Musical, das noch im Verborgenen schlummert. Auch „Joe“, eine niederländische Produktion, würde ich unglaublich gerne einmal realisieren.
KULTURHERZ: Haben Sie ein Lieblingsmusical und welche Rollen würden Sie gerne zukünftig spielen?
Femke Soetenga: Eigentlich ist immer die aktuelle Rolle, die ich spiele, meine Lieblingsrolle. Zukünftig gibt es noch viele Rollen, die ich spielen möchte, wie die Diana in „Next to Normal“ oder die Norma Desmond in „Sunset Boulevard“ oder Elisabeth oder Fanny Brice in „Funny Girl“ oder Dee Dee Allen in „The Prom“ – diese Rolle habe ich schon erarbeiten dürfen, aber dann hat die Premiere wegen Corona leider nicht stattgefunden.
KULTURHERZ: Gibt es ein Ritual, wie Sie sich auf Ihre Vorstellungen vorbereiten?
Femke Soetenga: Vor der Vorstellung nicht unbedingt. Ich trinke immer eine Tasse Tee – und natürlich hat man immer denselben Ablauf: Zuerst in die Maske zu gehen (um sich schön oder hässlich machen zu lassen wie z.B. als Mrs. Lovett – übrigens eine Rolle, die ich auch sehr gerne nochmal spielen würde), und dann das Aufwärmen, wenn ich zu tanzen habe.
Eine Angewohnheit allerdings habe ich: Ich gehe immer die gleichen Wege – ich würde niemals auf der anderen Seite der Bühne betreten; das hat sich einfach so eingeschlichen in der Probenzeit. Und: Ich habe immer meine „Isla med Voice“-Tabletten dabei, Wasser und – Lust! (lacht)
KULTURHERZ: Wenn Sie sich drei Songs aus Musicals Ihrer bisherigen Bühnenrollen aussuchen könnten, die Sie besonders gerne mögen, welche wählen Sie und warum?
Femke Soetenga: Es gibt bestimmt Lieder, die ich sehr gerne – gerade auch bei Konzerten – singe. Besonders gerne singe ich z.B. „Inspiratie“ aus dem Musical „Joe“, weil es auf niederländisch ist (meine Muttersprache), aus „Rebecca“ „Sie ergibt sich nicht“, aus „Die Päpstin“ „Das bin ich“ und „Die drei Musketiere“. Alle diese Songs sind sehr dramatisch.
Ich habe auch schon Comedy gemacht (auch aktuell probe ich für „Ball im Savoy“, eigentlich eine Operette, aber vor allem meine Rolle ist sehr am Musical angelehnt) – aber die großen, dramatischen Balladen sind echt mein Ding. Meistens geht es mit den Personen dann auf der Bühne auch nicht gut aus – ich bin schon sehr oft auf der Bühne gestorben. Das ist auch wirklich etwas ganz Besonderes, denn niemand weiß, wie sterben tatsächlich funktioniert. Wenn ich meine Interpretation darbieten darf, ich darf da so ehrlich wie möglich emotional sein – so wie übrigens auch in „Evita“ – dann ist das eine große Ehre für mich.
KULTURHERZ: Sie haben in Stuttgart alternierend und später in Erstbesetzung die Rolle der Mrs. Danvers in „Rebecca“ verkörpert. Erzählen Sie gerne etwas über diese Erfahrung, die Arbeit und die Funktion und den Einsatz einer alternierenden Besetzung.
Femke Soetenga: Ich habe alternierend in Stuttgart die Rolle der Mrs. Danvers gespielt; und ich habe auch fünf Monate die Erstbesetzung übernommen. Alternierende Besetzung haben – im Gegensatz zu einer Zweitbesetzung – in der Regel zwei bis drei Vorstellungen in der Woche, die fix sind plus, wenn die Erstbesetzung nicht da oder verhindert ist, springe ich auch ein. In der Probenzeit ist es meistens so, dass die Erstbesetzung probt und die alternierende Besetzung zuschaut, auch musikalische Proben hat und ab und zu auch szenische Proben machen darf – aber sehr viel funktioniert da über das Zuschauen. Es war eine schöne Erfahrung – ein schönes Haus, ein tolles Bühnenbild und es war einfach schön!
KULTURHERZ: Eine Musical Vorstellung bedeutet auch immer ein hohes Maß an Perfektion und Präzision in allen Abteilungen. Gibt es trotzdem Missgeschicke die während einer Show passiert sind?
Femke Soetenga: Ja – Missgeschicke passieren immer mal wieder. Gar nicht, weil man nicht gut vorbereitet wäre, aber sie passieren einfach. Das sind meist Kleinigkeiten, wenn man sich z.B. verspricht oder irgendetwas vergisst oder es passieren kurze Pausen auf der Bühne, die einem wie eine Ewigkeit vorkommen. Manchmal hängt vielleicht ein Bühnenbild fest oder ein Kostümteil reißt. Über ein paar solcher Dinge habe ich im Übrigen auch in meinem Buch mit Kurzgeschichten, „Der Käsekuchenmann“, geschrieben.
KULTURHERZ: Wo fühlen Sie sich zu Hause, und wie können Sie sich am besten entspannen und neue Ressourcen aufladen?
Femke Soetenga: Ich fühle mich zu Hause in meiner Wohnung in Hamburg. Am besten kann ich mich eigentlich bei einem Tag in der Sauna perfekt entspannen und zur Ruhe kommen. Ansonsten kann ich nicht so richtig gut relaxen, weil es immer sehr viel zu tun, vorzubereiten, zu lernen und zu coachen gibt ….
KULTURHERZ: Welche Musicalproduktion liegt ihnen rückblickend besonders am Herzen?
Femke Soetenga: Die aktuelle Rolle, die ich gerade spiele, ist – wie gesagt – immer meine Lieblingsrolle. Weil ich immer zu 100% mit Leidenschaft dabei bin, meine Rolle zu erfüllen und auch leidenschaftlich gerne auf der Bühne stehe! Rückblickend gibt es nicht eine Rolle, von der ich sagen könnte, dass sich sie nicht gerne gemacht habe. Ich habe wirklich bis jetzt schon sehr viele Chancen gehabt und konnte tolle Rollen an fantastischen Theatern spielen – und ich habe auch sehr viel Lust auf neue (und alte) Rollen, dass ich da keine einzelne auswählen könnte.
KULTURHERZ: Mit welchen Gedanken möchten Sie das Gespräch abschließen?
Femke Soetenga: Jedes Mal, auch bei Konzerten, stehe ich mit Leidenschaft auf der Bühne – und ich auch sehr hoffe, dass das Publikum das auch merkt. Wenn es nicht so wäre, hätte ich das Gefühl, dass ich dem Publikum und mir selbst etwas wegnehmen würde. Also meine Liebe und meine Leidenschaft für diesen Beruf hat nach zwanzig Jahren professionellem Job auf der Bühne nicht nachgelassen – wahrscheinlich sogar eher noch zugenommen!
KULTURHERZ: Herzlichen Dank liebe Frau Soetenga, dass Sie sich die Zeit für das Gespräch genommen haben und beruflich wie privat nur das Beste.
KULTURHERZ: „Queen“ Legende Brian May war und ist ein großer Mentor für dich. Wann hast du realisiert, dass aus einer musikalischen Zusammenarbeit eine Freundschaft wurde?
Kerry Ellis: Ich spielte damals in „My Fair Lady“ am National Theatre in London und Brian war dort um die Show zu sehen. Anschließend lud er mich zum Vorsprechen für „We Will Rock You“ ein. Dann bekam ich tatsächlich die Rolle der Meat. Wir haben aber erst dann beim Cast Album zusammen gearbeitet. Es war ein live Album, aber nachdem es aufgenommen war, musst ein paar Over dubs im Studio vorgenommen werden, also hatten wir einen Tag im Studio. Irgendwie klickte es direkt zwischen Brian und mir. Wir arbeiteten richtig gut zusammen und Brian sagte er würde sehr gerne mit mir weitere Projekte starten und ich sagte nur: Ok, kneif mich mal bitte! (lacht) Ich finde wir haben einfach eine tolle Chemie, Grenzen ausgetestet und hier sind wir nun.. gut zehn Jahre später! Ich komme ja vom Musical, also war ich nicht gewohnt an die Arbeit im Studio, geschweige denn daran meine eigne Musik aufzunehmen. Es dauerte dann eine zeit lang bis die CD „Anthems“ Gestalt annahm, weil wir beide in verschiedenen Projekten steckten: Brian Als Rockstar und ich in verschiedenen Musicals. Unsere Zeit im Studio war deswegen sehr begrenzt, aber es war sehr schön die Ehre und auch den Luxus zu haben mit einer Legende zu arbeiten. Mittlerweile haben wir zwei Tourneen zusammen gemacht und hoffentlich bald eine dritte. Die erste Tour war sehr laut und rockig, die folgende dann ein Akustik Set nur mit uns beiden. Brian ist großartig!
KULTURHERZ: Ich erinnere mich an eine kleine Geschichte, als ich vor einigen Jahren in London „Avenue Q“ anschaute und meine Sitznachbarin mich fragte ob ich „Wicked“ bereits sah. Idina Menzel spielte die Hauptrolle. Sie erzählte mir allerdings, dass sie diese großartige, umwerfende Sängerin gesehen hat mit einer außergewöhnlich tollen Stimme. Ihr Name ist Kerry Ellis. Dann hatte ich tatsächlich das große Glück dich als Elphaba zu sehen. Du warst wirklich überragend!
Kerry Ellis: Oh ich danke dir Marcel, dass ist so lieb von dir. Vielen, vielen Dank für dieses Kompliment.
KULTURHERZ: Du warst damals Standby und hast später nach Menzel lange die Hauptrolle gespielt. Für einige Jahre..
Kerry Ellis: Ganz genau. Ich habe 1 ½ Jahre in London gespielt und danach sechs Monate am Broadway und dann kam ich wieder zurück nach London und habe noch ein paar Monate gespielt. Es war schon eine lange Zeit. (lacht)
KULTURHERZ: Was sind deine schönsten Erinnerungen an „Wicked“?
Kerry Ellis: Oh, das sind so viele..“Wicked“ hat wirklich einiges in meinem Leben geändert, nicht nur konnte ich mit der Show an den Broadway, ich war auch in der Original London Cast. Die Show ist wunderbar, aber es ist auch gleichzeitig eine große Herausforderung Elphaba zu spielen. Das ist wie stimmliches Gymnastik, verbunden mit großer Emotionalität, denn du bist in der Rolle fast die gesamte Zeit auf der Bühne. Ich musste mich stimmlich beinahe neu koordinieren, weil ich vor „Wicked“ viele klassische und auch rockige Shows gemacht habe. Allerdings nichts, was dermaßen fordernd ist. Allerdings hat mich das am Ende auch stärker gemacht als ich jemals war.
KULTURHERZ: Wie war es mit Regisseur Joe Mantello zu arbeiten?
Kerry Ellis: Joe ist toll und es war dann auch seine Idee dass ich Elphaba am Broadway spiele. Er sagte: „Wir liebten dich in London und würden uns sehr freuen wenn du nach New York kommst.“ Da konnte ich natürlich nicht nein sagen (lacht).
KULTURHERZ: Was ist für dich der Unterschied zwischen dem britischen und dem amerikanischen Publikum?
Kerry Ellis: „Wicked“ ist wirklich ein Phänomen . Menschen sind weltweit so involviert und stark dabei wenn es um diese Show geht. Ich weiß dass einige Leute der Meinung sind dass amerikanische Publikum sei enthusiastischer und lauter als das britische, aber es ist ähnlich wie bei „We Will Rock You“: es gibt eine riesige Publikumsbeteiligung. Der Unterschied ist nur minimal: manchmal wird an anderen Stellen gelacht, dass war manchmal etwas merkwürdig (lacht). Ansonsten war die Reaktion allerdings ziemlich gleich. Backstage gab es ein paar Unterschiede, aber die Show ans ich gleich, was ganz gut war, denn ich hatte nur acht Tage Proben für den Broadway. So thank god! (lacht)
KULTURHERZ: Wir haben eben schon darüber gesprochen, dass du mit Idina Menzel in „WIcked“ gearbeitet hast. Wie war es dann ein paar Jahre später mit ihr gemeinsam in London auf der Bühne zu stehen für das große Chess Konzert in der Royal Albert Hall? Du warst Svetlana und Idina die Florence.
Kerry Ellis: Das war großartig! Nachdem Idina in London Elphaba spielte, ging sie wieder zurück in die Staaten. Es war schön, sie nach all der Zeit wiederzusehen. Außerdem passiert es recht selten, dass zwei Sängerinnen, die die gleiche Rolle spielten, gemeinsam auf der Bühne stehen. Es war eine Ehre mit ihr zusammen zu singen, denn sie ist wirklich fantastisch. Irgendwie war es auch ein besonderer Moment zwei Elphabas auf der Bühne zu haben. Ich denke den Leuten hat das gefallen. (lacht)
KULTURHERZ: Kerry, welche Musicalrollen würdest du mal gerne spielen?
Kerry Ellis: Oh so viele! So viele! Ich würde sehr gerne neue Musicals spielen, die noch nicht geschrieben sind und wieder in einer Original Cast sein. Es ist sehr aufregend eine Rolle zu kreieren: Entscheidungen zu treffen, Charaktere entdecken. Dann gibt es noch Rollen, für die ich noch nicht alt genug bin. (lacht). Ich bin mir sicher „Gypsy“ wäre fantastisch und natürlich Norma Desmond. Aber das hat noch etwas Zeit. (lacht)
KULTURHERZ: Ich bin immer wieder begeistert von London; von dieser wundervollen Stadt und der besonderen Atmosphäre. Wo ist dein Lieblingsplatz in London?
Kerry Ellis: Lieblingsplatz..(überlegt). Drury Lane ist ein ganz besonderer Platz für mich. Meine erste West End Show war dort in diesem wunderschönen Theater, nämlich „My Fair Lady“ und dann habe ich zehn Jahre später die Nancy in „Oliver“ dort gespielt. Dann liebe ich Covent Garden und dort durch die alten Straßen zu schlendern. Ich mag die boutiqueartigen Gegenden von London und die nicht zu großen kommerziellen Gebiete. Wir haben so viele schöne Plätze in London. Weißt du, wenn die Stadt vor deiner Haustüre ist nimmt man es manchmal für selbstverständlich hin alles in Reichweite zu haben. Erst vor wenigen Jahren war ich das erste Mal im London Eye. Seit Ewigkeiten wollte ich da mal hin und dann habe ich es endlich mal geschafft. London ist wirklich eine fantastische Stadt, vielleicht sollte ich auch einfach mal mehr nach oben schauen um neues zu entdecken (lacht).
KULTURHERZ: Kerry, vielen Dank für deine Zeit und das Interview.
Kerry Ellis: Ich danke dir Marcel!
KULTURHERZ: Musical und Theater. Beides Stichworte die bislang in Interviews mit Ihnen etwas stiefmütterlich behandelt worden. Sie haben viel fürs Fernsehen gedreht und mit tollen Leuten zusammengearbeitet, in erster Linie aber sehr viele interessante Rollen auf der Bühne verkörpert wie z.B. 1981 „Evita“.
Daniela Ziegler: Das war eine ganz verrückte Geschichte. Ich hab damals Audition gemacht für die deutschsprachige Erstaufführung von „Evita“ in Wien und dann hieß es: ‚Zu 99% sind Sie eine der beiden Besetzungen.‘ Dann jedoch hörten wir lange nichts mehr und dann rief meine Agentur damals bei Herrn Kutschera (damaliger künstlerischer Leiter des Theaters an der Wien) an und dann sagte er ‚Ach nein, doch nicht. Wir haben uns für jemand anderen entschieden.‘ Das war eine große Enttäuschung. Ich habe dann eine Fernsehfassung von „Die Gerechten“ von Camus gedreht und erhielt wenig später einen Anruf von Herrn Kutschera: ‚Sie müssen dringend kommen, weil wir haben uns geirrt, Sie müssen unbedingt Evita spielen.‘ Und ich hab ihm gesagt. ‚Tut mir leid, jetzt bin ich nicht mehr frei, denn ich mache etwas anderes.‘ So ist also die wirkliche Uraufführung an mir vorüber gegangen, aber dann passierte ja dieses Ereignis bei der Wiederaufnahme, zwei oder drei Jahre später. Isabel Weicken wurde zusammen geschlagen und zwar von einem engagierten Schläger, Liebhaber und Agent der Zweitbesetzung. Ich bekam wieder den Anruf, dass war nämlich genau zur Hauptprobe: ‚Frau Ziegler, können Sie jetzt kommen?‘ Und da hatte ich Zeit und habe dann natürlich gesagt das ich komme. Harold Prince hatte mich inzwischen für Deutschland ausgewählt, denn „Evita“ kam dann ja nach Berlin und München. Ich war die erste deutsche Evita. Das war also schon klar, aber für Wien war ich nicht vorgesehen.
Dann fuhr ich nach Wien und es hieß: ‚In zehn Tagen haben Sie Premiere.‘ Und ich sagte: ‚Wie in zehn Tage habe ich Premiere? Ich kenne doch das Stück gar nicht. Ich habe es nie gesehen.‘ Ich kannte nur die beiden Songs die ich vorgesungen habe. Und dann habe ich wirklich in zehn Tagen das ganze Stück gelernt. Mit allem was dazu gehört: mit der Choreographie, mit sämtlichen musikalischen Nummern…mein elfter Probetag war meine Premiere. Das war wirklich eine Feuertaufe! Da habe ich gedacht: ab jetzt kann mir nichts mehr passieren.
KULTURHERZ: Unglaublich, gerade weil „Evita“ ein echter Kraftakt ist. Das einzige Lied, in dem Sie nicht auf der Bühne waren, war „Another Suitcase In Another Hall“.
Daniela Ziegler: Genau und bei Che’s Rocknummer, da ist sie auch nicht auf der Bühne. Ich wurde morgens um 9 Uhr aus dem Hotel abgeholt und meine letzte Aufgabe war, jeden Abend die Vorstellung anzuschauen. Ich war rund um die Uhr beschäftigt. Die Intendanzsekretärin hörte mich Text ab, sämtliche Creatives waren um mich herum und haben mich geknetet. Aber es war natürlich toll: es war intensivst und eine tolle Erfahrung. Die Premiere war dann ein Riesenerfolg und Kutschers rief bei Viebach (damaliger Intendant des Theater des Westens) in Berlin an und sagte: ‚So nun ist es passiert. Heute hat die Evita zum ersten Mal mehr Applaus bekommen als der Che.‘
KULTURHERZ: War damals Andrew Lloyd Webber vor Ort?
Daniela Ziegler: Nein, ich habe nur mit Hal Prince gearbeitet. Webber habe ich erst bei „Sunset Boulevard“ kennen gelernt und ich habe ihm dann auch die „Goldene Kamera“ überreicht. „Evita“ ist ein tolles Stück, nach wie vor. Ich habe es mehrere Male mit diversen Kolleginnen gesehen. Ich war dann auch in New York, dort gab es, glaube ich, die 100. Vorstellung die gefeiert wurde und sämtliche Erstbesetzungen waren geladen. Wir feierten im Studio 54 und es war richtig toll. Dort war auch Patti LuPone. Sie und ich waren bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, die einzigen die sowohl Eva in Evita, Maria Callas in „Master Class“ wie auch Norma in „Sunset Boulevard“ in Erstbesetzung gemacht haben. Das fand ich schon sehr aufregend.
KULTURHERZ: Sehr spannend ist auch ihre Rolle der Velma Kelly in „Chicago“. Sie haben die Rolle 1985 in Hagen gespielt, noch vor dem populären Revival.
Daniela Ziegler: Ja, eine Stadttheater Inszenierung die ziemlich gut war in Hagen. Doris Bierett war Roxie (singt) ‚Foxy, Roxie Hart‘. Damals hieß es ja Hagen sei der Broadway der Provinz. Jedes Jahr gab es dort einen Musicalkontest, zu dem immer mehrere Theater eingeladen worden. Dann haben diese ihre Inszenierungen gezeigt. Wirklich sehr interessant.
KULTURHERZ: Leider haben immer noch viele Stadttheater Berührungsängste mit dem Thema Musical. Es gibt sogar einige Intendanten, die dieses Genre nicht als Kunstform ansehen.
Daniela Ziegler: Das ist blöd zu sagen es sei keine Kunstform, weil Musicaldarsteller müssen soviel mehr können als „nur“ ein Schauspieler oder „nur“ ein Sänger – wenn sie richtig gut sind. Sie müssen spielen können, singen können und im besten Fall auch noch tanzen können. Immer ist eins dieser drei nicht vorne dran, aber es als „Nicht-Kunstform“ zu bezeichnen, empfinde ich als Missachtung.
KULTURHERZ: Gibt es Kollegen im internationalen oder nationalen Bereich die sie gut finden und mögen?
DZ: Ja diese „alten Damen“, wie ich mich selber auch bezeichne, z.B. Patti LuPone die eine tolle Frau ist, Elaine Paige ist toll, Maria Friedman fand ich in Sondheim’s „Passion“ großartig und bei den Männern natürlich Michael Ball. In Deutschland gibt es mittlerweile auch viele, aber vor allem viele Holländerinnen die hervorragend sind.
KULTURHERZ: 1991: „Follies“ von Stephen Sondheim. Ich persönlich finde das Helmut Baumann, der damalige Intendant des Theater des Westens, seiner Zeit um Lichtjahre voraus war. Was er für das Genre Musical in Deutschland geleistet hat war phänomenal.
Daniela Ziegler: Ja das war auch wirklich eine ganz tolle Zeit. Angefangen habe ich am Theater des Westens mit „Evita“, dann kam „Anatevka“ mit Wolfgang Reichmann als Tevje, eine wunderbare Arbeit mit ihm. Dann habe ich die Jenny gesungen in „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagony“ in Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper. Und dann kam nach einer Zeit „Follies“ und dann noch „Nine“, die letzte Inszenierung von Helmut Baumann am Theater des Westens, in der ich einen Monat als Stargast die Rolle der Liliane LaFleur gespielt und die wunderbare „Folies Bergère“ Nummer gesungen habe. Baumann hat einfach für das Musical in Deutschland viel gemacht. Er hat alles hergeholt und neu inszeniert, selbst neue Dinge entwickelt. Es war eine tolle Zeit, die nicht diktiert war von diesen geklonten, großen Dauerrennern die nur noch die Städte wechseln, aber alles bleibt gleich.
KULTURHERZ: Es bleibt ein austauschbares Produkt.
Daniela Ziegler: Genauso ist es! Das war am Theater des Westens nicht der Fall. Es ist schade das es so was in Deutschland gar nicht mehr gibt.
KULTURHERZ: Für die 90er Jahre war die Entscheidung Sondheim zu machen und „Follies“ herauszubringen wirklich sehr innovativ.
Daniela Ziegler: Sondheim wird ja leider kaum gespielt. Ich liebe Sondheim! Ich habe in Braunschweig mit Brigitte Fassbaender „A Little Night Music“ gemacht und die Desiree gespielt. Ich liebe das! Es ist sehr schön das eine klassische und international berühmte Sängerin und Regisseurin wie Brigitte Fassbaender, Musical liebt und schätzt. An ihrem Theater in Innsbruck hat sie immer Musicals gemacht. Ich wollte immer mit Kollegen „Side By Side By Sondheim“ machen, aber es hat niemanden interessiert.
KULTURHERZ: Wirklich? Sehr schade! Gibt es noch weitere Traumrollen und Projekte im Bereich Musical?
Daniela Ziegler: Ich würde sehr gerne den Conférencier in „Cabaret“ spielen. Die deutschsprachige Erstaufführung in Wien war mit einer Frau: Blanche Aubry, eine wunderbare Schauspielerin. Das würde ich auch mal sehr gerne machen. Ich finde das passt auch in die Zeit, dass so ein alter Kabarett Hase, eine bisschen ausgelatschte Frau ihre Nummern abliefert. Wunderbar, aber hat bisher keiner gewagt. Dann hätte ich gerne „Mame“ gespielt, aber das macht auch keiner. Ach da gibt es noch so einiges… Mrs Lovett in „Sweeney Todd“ zum Beispiel.
KULTURHERZ: Um noch einmal auf „Follies“ zurückzukommen. Die Besetzung damals war ja unglaublich. Eartha Kitt! Brigitte Mira! Die Kessler Zwillinge! Da gibt es doch bestimmt einige Geschichten zu..
Daniela Ziegler: Oh ja, da gibt es jede Menge, vielleicht auch welche, die man besser nicht erzählt. Aber seit dieser Zeit bin ich mit Alice und Ellen Kessler befreundet und immer geblieben, mit Vicki Hall, die Zweitbesetzung war für Renate Holm, Eartha Kitt ist ja leider nicht mehr unter uns, Biggi Mira auch nicht. Mit Biggi war das auch eine große Freundschaft über diese Zusammenarbeit, Margot Hielscher war auch dabei. Aber was vollkommen unverständlich ist, und da hat Helmut Baumann wirklich was versäumt, dass er von dieser Aufführung keinen professionellen Mitschnitt gemacht hat oder eine CD. Weil diese Leute auf einem Haufen das war unglaublich! Davon kein Dokument zu haben…das habe ich überhaupt nicht verstanden. Sehr schade, denn es war eine tolle Sache. Nach wie vor auch schwierig für das Publikum. Die Aufnahme des Publikums ist sehr unterschiedlich, es gibt totale Fans und Menschen die die Musik nicht mögen, weil sie ihnen zu „künstlich“ ist.
KULTURHERZ: Aber die Produktion war damals ein durchschlagender Erfolg?
Daniela Ziegler: Ja! Es war ein großer Erfolg. Maury Yeston, der „Nine“ komponiert hat und auch „Titanic“, ist auch ein Komponist, der schwierig zu rezipieren ist. „Nine“ ist eine tolle Geschichte nach dem Fellini Film und ich habe die Show damals 1982 in New York gesehen mit Raul Julia. Das war einfach hinreißend, auch mit dem ironischen Blick auf Deutschland. Und die Bühne war komplett in weiß und schwarz.
KULTURHERZ: „Der blaue Engel“ hatte 1992 Premiere in Berlin. Hellmuth Karasek schrieb damals von einem „Misserfolg, der böse in die Grütze“ ging. Ute Lemper hat damals extrem viel negative Kritik einstecken müssen.
Daniela Ziegler: Also in Berlin lief „Der blaue Engel“ überhaupt nicht, in Hamburg haben wir dann damit im Schauspielhaus gastiert und da war es ein Erfolg. Ich bin eingestiegen als Ute Lemper krank wurde. Ich habe es nicht von Anfang an gemacht, sondern ich habe dann die Rolle von Eva Mattes übernommen. Ich war dann die Gusto und Eva Mattes die Lola. Dann habe ich aber auch mit Ute gespielt, als sie wieder zurück kam. In Hamburg war das ein Riesenerfolg, ganz merkwürdig. Es ist ja oft so, dass gerade die beiden Städte Berlin und Hamburg unterschiedlichen Geschmack haben.
KULTURHERZ: Glauben Sie, das vielleicht auch die Kritiker für den Flop der Produktion verantwortlich waren, die wollten das „Der blaue Engel“ ein Misserfolg wurde?
Daniela Ziegler: Das kann schon sein. Durchaus.
KULTURHERZ: Weil gerade Ute Lemper damals als „Fräuleinwunder“ und „neue Dietrich“ gehypt wurde.
Daniela Ziegler: Aber das ist doch so was typisch deutsches! Erst wurde sie gehypt und wenn man dann oben ist, muss man aufpassen das man nicht dauernd eins mit der Bratpfanne auf den Kopf bekommt und wieder platt gemacht wird. Ute hat das Glück gehabt, dass sie nach Frankreich gehen konnte , nach Paris um die Sally Bowles in „Cabaret“ zu spielen und von dort aus dann ihre Karriere gestartet hat. England, Österreich und Frankreich alles Länder sind, die ihre Künstler schätzen, lieben und entsprechend umsorgen und nicht versuchen sie kaputt zu machen. Ute Lemper ist einfach eine wahnsinnig begabte Frau. Helmut Baumann hat mit ihr und Nicole Heesters die Weill Revue gemacht am Theater des Westens, während ich parallel die Jenny „Mahagonny“ gesungen habe. Da habe ich Ute erlebt. Sie war immer mit mit Musik beschäftigt, auch in der Kantine. Sie hat einfach gearbeitet wie blöd. Sie war fleißig, ehrgeizig und hatte eine Vision – und die hat sich erfüllt. Das sie Fehler gemacht hat mit der Presse und verheizt worden ist, mag alles sein, aber sie so zu demontieren fand ich überhaupt nicht gut.
KULTURHERZ: „Sunset Boulevard“ ist ein großes Thema. Als ich Kollegen und Freunden von einem Interview mit Ihnen erzählt habe, haben viele gesagt: ‚Daniela Ziegler ist meine deutsche Lieblings Norma.‘
Daniela Ziegler: Das freut mich sehr! Norma ist einfach eine tolle Rolle. Und das ist z.B. eine Musicalrolle, wo man natürlich punkten kann wenn man vorrangig Schauspieler ist. Vom schauspielerischen her konnte ich viel einsetzen und das tut dieser Rolle natürlich sehr gut. Bei „Evita“ und „Victor/Victoria“ war das auch so. Im Prinzip bei allen Stücken die auch eine Geschichte haben, wo der Charakter auch Wandlungen durchläuft, da ist es gut wenn es ein Schauspieler ist. Tanzmusicals kann ich z.B. nicht machen. Das ist mein Pferdefuß, dass kann ich nicht so gut und dadurch fallen natürlich auch verschiedene Stücke für mich aus.
KULTURHERZ: Wie hat der Weg mit „Sunset Boulevard“ begonnen? Bekamen Sie einen Anruf?
Daniela Ziegler: Genau, ich wurde angerufen damals für die deutschsprachige Uraufführung. Ich sollte doch bitte kommen, aber es müsste klar sein, dass ich mich mindestens für ein Jahr verpflichte. Das habe ich daraufhin abgelehnt, weil ich mich dann zu lange aus dem TV Geschäft hätte zurück ziehen müssen. Ein halbes Jahr ja, aber dass wollten sie nicht und deshalb bin erst gar nicht hin. Dann kam nach einem Jahr oder Dreiviertel Jahr wieder die Anfrage. Ich gesagt, wenn es kürzer ginge, dann können wir das probieren. Wir sind nach London geflogen und dort habe ich mit Trevor Nunn (Regisseur von „Sunset Boulevard“) gearbeitet. Ich habe gesagt ich mache keine normale Audition, aber dazu habe ich noch eine Geschichte zu erzählen. Ich habe zu Nunn gesagt, ich möchte das alle anderen rausgehen und nur er und der Pianist bleiben. Ich möchte nichts vorführen müssen. Das war es und er hat sofort ja gesagt.
KULTURHERZ: Trevor Nunn ist ja auch ein großartiger Regisseur.
Daniela Ziegler: Ja absolut. Das war sofort eine sehr gute Zusammenarbeit bei diesem Treffen. Daraufhin habe ich die Rolle bekommen und war die Erstbesetzung nach Helen Schneider und habe das acht Monate gesungen. Ich habe wirklich noch die ‚Speckzeiten‘ mitbekommen. Das Musical wurde ja auf der ganzen Welt zurückgezogen. Ich glaube zuerst in Australien, dann England, Amerika und zuletzt Niedernhausen. Es war eindeutig der falsche Ort für diese Show. Das mitten in die Pampa zu setzen und nichts drumherum zu haben, ist absolut absurd. Aber zu dieser Zeit, als ich dazu kam, war es zwar schon in der Schwebe wie es in in Zukunft weitergehen sollte, aber wir wussten nichts davon. Die haben mich noch engagiert ohne was davon zu sagen. Und dann sollte plötzlich drei Monate später Schluss sein. Das fand ich ziemlich schräg, aber das tolle war in dieser Zeit gab es die zwei für eine Ticketaktion. Man hat eine Karte gekauft und zwei bekommen, bedeutet das Theater war jeden Abend voll. Es hat immer gedampft. Uwe Kröger und ich hatten wirklich eine ganz tolle Zeit, bis wir dann am selben Tag aufgehört haben. August 1997. Das war ein Abend, den ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde. Das Publikum und die Fans haben uns in einer Art und Weise gefeiert.. das war grandios! Nach dem Schlussapplaus haben wir dann nochmals „Ein gutes Jahr“ gesungen und getanzt. Das hatten wir mit dem Dirigenten abgesprochen. So etwas ist eigentlich gar nicht erlaubt bei den großen West End und Broadway Musicals. Die haben ja ganz strikte Regeln: wenn der Vorhang runtergeht, dann geht der auch nie mehr hoch, da kann das Publikum noch eine halbe Stunde lang klatschen. An diesem Abend jedoch haben wir sie ausgetrickst (lacht). Das war ganz toll!Wie das Publikum während der Show reagiert hat, war einfach unglaublich.
KULTURHERZ: Ja die Applausordnung bei großen Shows ist schon sehr knapp: einmal verbeugen und das war es dann. Besonders augenmerklich bei Großproduktionen wie z.B. „Wicked“. Als Zuschauer hat man ja auch eine gewisse Energie die raus muss.
Daniela Ziegler: Ja ich verstehe das auch nicht. Das ist sogar bei Shows von großen Stars so. Die haben auch ihren bestimmten Ablauf der Applausordnung, wo dann nochmals was gesungen wird und wenn das vorbei ist, ist auch Schluss! Die kommen dann auch nicht nochmals.
KULTURHERZ: Waren Sie 2007 beim Barbra Streisand Konzert in Berlin? Da ist sie ja wirklich nochmals auf die Bühne gekommen, nach der geplanten, letzten Zugabe.
Daniela Ziegler: Ja ich war bei dem Konzert. Stimmt! Das war wirklich eine absolute Ausnahme, ganz ungewöhnlich.
KULTURHERZ: Es gibt eine 3 Track Single von „Sunset Boulevard“ die Sie aufgenommen haben..
Daniela Ziegler: …und dafür musste ich hart kämpfen, denn die CD sollte dann plötzlich nicht mehr aufgenommen werden, da das Musical ja geschlossen werden sollte. Da habe ich wirklich gekämpft wie eine Löwin, dass das noch zustande kam. Das war der einzige Tag an dem ich mal nicht gespielt habe. Ich war nie krank, Gott sei Dank. Ich hatte meine 14 Tage Urlaub, die mir zustanden. Ansonsten habe ich jede Vorstellung gespielt, bei der ich angesetzt war. Eine allerdings nicht, weil ich eine Art Nervenzusammenbruch hatte. Das war so ein harter Kampf um diese kleine CD. Ich hatte niemanden der das für mich machte, ich musste das selber durchkämpfen. Da war ich an einem Tag völlig fertig. Ich habe gezittert und geheult, konnte nicht singen.
KULTURHERZ: Dann aber Chapeau das sie es durchgesetzt haben und wir die Aufnahme als Zeitzeugnis haben. Eine großartige Arbeit.
Daniela Ziegler: Ich finde es auch sehr schön, denn sonst gäbe es gar nichts.
KULTURHERZ: Wäre es für Sie interessant die Rolle der Norma Desmond noch einmal zu spielen?
Daniela Ziegler: Ja, Norma würde ich sofort nochmals spielen.
KULTURHERZ: Die Rechte sind frei und Stadttheater wie z.B. Magdeburg und Braunschweig spielen „Sunset Boulevard.“ 2011 stand es in Bad Hersfeld auf dem Spielplan.
Daniela Ziegler: Bad Hersfeld war toll. Das habe ich dort gesehen. Zuerst konnte ich es mir gar nicht vorstellen und ich habe mich gefragt wie die das Open Air wohl hinbekommen.
KULTURHERZ: Ich fand das war ein brillantes Regiekonzept von Gil Memmert.
Daniela Ziegler: Ja hervorragend! Wirklich toll! Helen Schneider war großartig.
KULTURHERZ: Robin Hood in Bremen..
Daniela Ziegler:(unterbricht charmant)… Sie haben „Victor/Victoria“ vergessen (lacht).
Das war auch eine sehr schöne Produktion mit Ernst Stankovski als Toddy. Wir waren glaube ich, ein ganz gutes Paar. Wir mussten uns erst annähern, weil er schauspielerisch aus einer ganz anderen Ecke heraus arbeitet als ich. Wir hatten unglaublich viel Spaß miteinander. Das war auch ein ziemlicher Erfolg, sowohl in Karlsruhe wie auch am Deutschen Theater München. Das ist auch eine tolle Figur. Dieser Wechsel von Frau zu Mann zu Frau. Das fand ich wunderbar zu spielen. Das hat mir sehr sehr gefallen. „Robin Hood“ habe ich angenommen, weil ich damals eine große Pause vom Musical hatte. Nach fünf Jahren habe ich gedacht: Ach ja. Dann habe ich die Rolle der Lady Isabelle gespielt, die es ja so eigentlich gar nicht gibt in der Robin Hood Geschichte, aber es war nicht so wirklich mein Ding. Es war ein nettes Ensemble, wir hatten Spaß miteinander. Ich habe es in Bremen und München gemacht, aber nicht in Berlin, weil ich wusste dass es in Berlin nicht funktionieren würde. Ich habe es mir angeschaut, bin hingegangen und die Kollegen besucht.
KULTURHERZ: Gab es anschließend noch eine Musicalproduktion, oder kam direkt „Sister Act“?
Daniela Ziegler:(überlegt) Nein es gab wieder eine Pause von fünf Jahren und dann kam die Anfrage ob ich vielleicht Lust hätte die Mutter Oberin in „Sister Act“ zu sein. Das ist nun nicht so eine große Rolle und sie hat nur ein Lied und eine Reprise und das für einen ganzen Abend. Dann war ich zuerst etwas abgeneigt und dann hab ich aber gedacht: ‚Moment, was willst du eigentlich? Du willst mit Musik arbeiten, jetzt kannst Du mit Musik arbeiten. Das du nicht jünger wirst weißt du auch und dass es keine Hauptrollen mehr in deinem Alter gibt, außer z.B. „Sunset Boulevard“, dann mach das doch jetzt.‘ Dann habe ich zugesagt.
KULTURHERZ: Hat ja auch wunderbar gepasst.
Daniela Ziegler: Ja und es war dann auch eine ganz wunderbare Erfahrung weil wir uns wirklich so gut verstanden haben. Ich meine mit soviel Frauen auf einer Bühne, auf einem Haufen das kann ja auch ganz schön schief gehen. Aber das war überhaupt nicht der Fall, es war ganz toll und vielleicht hat es auch damit zu tun das die Figur der Mutter Oberin eine Frau ist, die alles zusammen hält . Sie muss ihren Stall von Nönnchen sozusagen ganz schön bei der Stange halten, wenn da dieses „Ungewitter“ in Form von Delores auftaucht und alles durcheinander bringt. Vielleicht hat sich da etwas von der Rolle übertragen auf die ganze Situation, weil wir waren wirklich eine tolle Gemeinschaft und ich habe auch eine große Achtung und auch Liebe von meinen Mitspielerinnen empfunden, muss ich wirklich sagen. Wirklich schön. Und es ist mir dann ganz schwer gefallen die letzte Vorstellung zu spielen (lacht). Wir haben schon eine Woche vorher immer geheult. Dann war die letzte Vorstellung mit Zodwa Selele, die wir beide verheult haben und die allerletzte die ich mit Patricia Meeden gespielt habe, die ja so eine kleine, harte, zackige ‚Nummer‘ ist; sie ist auch wunderbar. Da hatten wir auch unsere sentimentalen Momente, aber da haben wir mehr kleine Extempores gemacht. Die Mädels haben sich unglaubliche Sachen für mich ausgedacht. Dadurch habe ich eigentlich mehr lachen müssen, als das ich weinen musste. Es war ein richtig schöner Abschied.
KULTURHERZ: Sie haben also zwei Abschiede erlebt: einmal den emotionalen und einmal den augenzwinkernden…
Daniela Ziegler: Genau. Zum Schluss, da gehen die Schwestern ja nochmals raus wenn diese Tanznummer kommt, dann kommt Mutter Oberin auch und macht ein paar Schrittchen und macht immer das nach was Delores ihr vormacht. Und Patricia, dieses Aas, legt sich auf die Erde und macht drei Liegestützen. So schnell kann man ja gar nicht überlegen. Die Choreographie muss ja weitergehen. Also was hab ich gemacht? Auf die Erde und drei Liegestütze! Ich bin sogar wieder hoch gekommen. Das war das einzige was ich dachte: ‚Oh Gott, wenn ich jetzt nicht wieder hoch komme!‘ (lacht). Das ganze Ensemble hinter uns hat geklatscht, sehr schöne Erinnerungen.
KULTURHERZ: Bei der Premiere war auch Whoopi Goldberg dabei. Hat sie bei den Proben auch vorbeigeschaut?
Daniela Ziegler: Nein, bei den Proben war sie nicht, Aber ich war in London und hab mir dort die Vorstellung angeschaut mit ihr als Mutter Oberin. Das war natürlich die ‚Whoopi Goldberg Show‘. Der Fokus ging total auf sie, aber es war sehr lustig auch hinterher. Wir haben in der Garderobe zusammen gesessen und uns gut unterhalten, auch über Sachen die mit Theater nichts zu tun haben. Als sie dann nach Hamburg kam und auf der Bühne am Ende neben mir stand sagte sie: „Hey, you did good work.“
KULTURHERZ: Gibt es bestimmte Pannen auf der der Bühne an die sich erinnern?
Daniela Ziegler: Oh ja die gibt es. Man vergisst z.B. den Text, setzt falsch ein und muss sich da irgendwie raus retten. In „Sunset Boulevard.“ gab es diese Beauty Szene „Ein bisschen Leiden“ und Joe kommt, Norma fragt ihn aus, weil sie weiß das er ein Verhältnis hat und ich wußte nichts mehr! Uwe Kröger erzählt das auch immer gerne. Ich wußte nicht was ich ihn fragen sollte. Keine Ahnung! Und Uwe dachte ich prüfe ihn jetzt. Die erfahrene Schauspielerin, die ihren jüngeren Kollegen mal so richtig auf die Probe stellt. Ich hab immer nur gesagt: ‚Und dann? Und was war dann?‘ Und er musste eigentlich meinen ganzen Text sagen. Das hat er auch gemacht, bis zu einem Moment wo er sich umdrehen musste und wir uns anschauen konnten. Da hat er in meine total leeren Augen geschaut und gesehen das da nichts war.
KULTURHERZ: Von der Kollegin kommt nicht mehr viel.
Daniela Ziegler:(lacht) Von der Kollegin kommt nichts, kam nichts und wird auch nichts kommen (lacht). Also das ist z.B. etwas da stirbst du tausend Tode. Bei der Premiere von „Follies“ fiel mir der Text nicht ein bei meinem Lied „Fortgehen, fortgehen..“ Unten Rolf Kühn dirigiert das Intro im Dreiviertel Takt und ich stehe da und Rolf Kühn schaut. Ich hörte von der Bühnenseite etwas, konnte aber nichts verstehen. Helmut Baumann hat mir dann erzählt das er und Jörg Burth (Co-Regisseur und Choreograf der Produktion), die beide oben in der Loge saßen, dachten: Was ist jetzt los? Fällt sie ihn Ohnmacht oder was ist? Und plötzlich war ich wieder drin und habe gesungen als wäre nichts passiert. Es waren ungefähr sechs Zeilen die fehlten. Rolf Kühn sagte dann später: ‚Ich wusste nicht soll ich aufhören, fangen wir nochmals an oder machen wir einfach weiter?‘ Leute die im Publikum saßen und auch schon eine Probe gesehen hatten waren irritiert. Eine mir befreundete Pianistin sagte: ‚Warum habt ihr denn dieses Vorspiel so verlängert? Das muss aber nicht sein‘ (lacht). Wir haben nicht das Vorspiel verlängert, ich konnte ganz einfach meinen Text nicht. Sie hat es nicht gemerkt. Da muss also so eine Spannung gewesen sein, trotz alledem, das es funktioniert hat! Ich habe nicht nachgelassen, ich habe nichts ausgelassen. Ich bin in der Figur geblieben und irgendwann war es wieder da. Solche Sachen passieren.
KULTURHERZ: Sie erzählten zu Beginn unseres Gesprächs, dass sie keine Audition mehr machen und das es dazu noch eine eigene Geschichte gibt.
Daniela Ziegler: Ja, ich mache keine Audition mehr seit „Cats“ in Wien, damals für die Originalproduktion, ist lange her. Wie gesagt, ich hatte „Evita“ gemacht in zehn Tagen. Ich wurde eingeladen zur Audition für die Rolle der Grizzabella. Ich sollte den normalen Ablauf mitmachen und kam auf die Bühne und, ich habe immer Lampenfieber und bin furchtbar aufgeregt auch vor Vorstellungen. Aber da in Wien ging gar nichts mehr. Meine Knie haben gezittert, ich konnte kaum stehen, ich war wie zugeschnürt. Es war wie eine Art Schock. Ich habe drei Zeilen gesungen, dann kam die Choreographin Gillian Lynne nach oben gerannt, sie hat die Audition abgenommen, schüttelte mich und klopfte mir die Wangen (lacht). Dann habe ich es nochmals probiert, aber es ging nicht und dann haben sie mich abends gebeten zu einer Arbeitsprobe zu kommen. Ich habe gesagt: ‚Klar ich mach das. Tut mir leid, ich weiß nicht was da los ist.‘ Ich hatte einen Metallgeschmack im Mund vor lauter Adrenalin, ich weiß das noch ganz genau. Ich musste abgehen und an der Seite saßen die Kolleginnen die eingeladen waren. Es war eine furchtbare Situation. Abends haben wir dann gearbeitet und das fanden sie auch toll. ‚Timbre der Stimme ideal, Typ ideal, alles bestens, aber wir glauben nicht sie nervlich in der Lage ist jeden Abend diese Rolle zu singen.‘ Wenn ich nervlich in der Lage bin eine Rolle wie Evita in zehn Tagen auf die Bühne zu bringen dann ist Grizabella ein Klacks. Aber etwas gutes hatte es: Angelika Mister und André Bauer, der der musikalische Leiter war, bei den beiden hat es sofort gefunkt und sie sind heute noch verheiratet. Seit dieser Erfahrung hab ich gesagt: Schluss, keine Audition mehr. Wenn mich jemand will, dann möchte ich gerne arbeiten und das man sich kennenlernt das ja, aber nicht diese „Nummer 23, bitte.“ Wenn man darauf nicht eingeht, dann habe ich halt Pech gehabt. Aber bei den Projekten die ich gemacht habe, da war es so das ich immer das Angebot bekam von der anderen Seite. Ich habe mich nicht beworben. So hat man dann natürlich eine bessere Ausgangssituation. Ich kann es einfach nicht. Ich bin nie engagiert wurden, wenn ich vorgesprochen habe, auch im Schauspiel nicht. Ich bin dieser Situation nicht gewachsen. In kurzer Zeit, sozusagen von mir das beste zu präsentieren, diese Art von Druck halte ich nicht aus. Ich bin einfach kein Prüfungsmensch, deswegen sind Premieren auch jedes Mal hart für mich.
KULTURHERZ: Sobald die Premiere vorbei ist, wird es dann besser mit der Aufregung?
Daniela Ziegler: Es wird besser, aber ich bin nie unaufgeregt. Ich habe immer Lampenfieber vor jeder Vorstellung. Es ist manchmal mehr, manchmal weniger, das ist auch abhängig von der Tagesform: es geht einem besser oder schlechter aber ich bin nie ohne diese Versagensangst. Das ist schon ganz schöner Stress, dem man sich da aussetzt (lacht) und das nach all den Jahren! Als ich anfing Theater zu spielen war ich bei Premieren meistens krank. Ich war eigentlich immer erkältet.
KULTURHERZ: Liebe Frau Ziegler, vielen Dank das Sie sich die Zeit für das Gespräch mit mir genommen haben.
Daniela Ziegler: Sehr gerne. Herzlichen Dank!
KULTURHERZ: Bevor Du mit „Elisabeth“ in Wien den großen Durchbruch feiern konntest, warst u.a. auch in Aachen in der Welturaufführung von „Gaudi“ zu sehen. Was sind Deine Erinnerungen an diese Produktion?
Maya Hakvoort: Nur gute: Die gesamte Arbeit rund um Gaudi machte wahnsinnig viel Spaß. Ich hatte super Kollegen und die Arbeit mit Eric Woolfson in den berühmten Abey Road Studio´s in London, aber auch die Arbeit mit Elmar Ottenthal, Kim Duddy und Peter Wissmann waren einfach toll. Die Musik ist großartig und bei der Premiere hatte ich ein überwältigendes Gefühl.
KULTURHERZ; Die Rolle der Elisabeth war ein fulminanter Erfolg für Dich. Erinnerst Du Dich an Deine Premiere?
Maya Hakvoort: Ich erinnere mich lustigerweise mehr an die Premierenfeier. Bei der Aufführung selbst war ich zu beschäftigt damit, alles richtig zu machen und eine gerechte Nachfolgerin von Pia [Douwes] zu sein. Dafür kann ich mich nur zu gut daran erinnern, wie erleichtert ich bei der Premierenfeier war, weil mir alles gelungen war.
KULTURHERZ: Wie oft hast Du Elisabeth gespielt?
Maya Hakvoort: Als Musicalvorstellung habe ich die Elisabeth 1026x gespielt. Meine 1000ste Vorstellung war im Jahr 2007 in Osaka. Aber manche Lieder aus Elisabeth habe ich unzählig oft gesungen.
KULTURHERZ: Was sind deine Erinnerungen an „Elisabeth“?
Maya Hakvoort: : Ich habe sehr viele schöne Erinnerungen (von 1026 Vorstellungen). Einmal habe ich vor der Vorstellung Nüsse gegessen. Blöderweise sind mir diese im Hals stecken geblieben, wodurch die Stimme nur kratzte. Ein anderes Mal ist beim Walzer mein Schuh in der Bühne stecken geblieben und ich musste mit nur einem Schuh weiter tanzen. Und lustig für mich, aber gemein für das Ensemble war, dass ich lustige Gesichter gemacht habe, wenn ich mit dem Rücken zum Publikum stand und zum Ensemble blickte, während sie sehr ernst bleiben sollten. Und einmal habe ich meinen Text vergessen und dann einfach in Holländisch weiter gebrabbelt.
KULTURHERZ: Hast Du noch Kontakt zu Kollegen aus der „Elisabeth“ Zeit?
Maya Hakvoort: Ja, mit sehr vielen, wie Markus Pohl, André Bauer, Viktor Gernot, Maté Kameras, Lukas Perman, Susanne Altschuh, Felix Martin.
KULTURHERZ: Wie war es mit Isabel Weicken zu arbeiten? Ich persönlich finde ihre Sophie auf der „Elisabeth“ Live CD von 1997 grandios, genau wie Deine Elisabeth.
Maya Hakvoort: Die Arbeit mit Isabel war super schön. Sie war immer gut drauf, lieb, einfühlsam, man konnte tolle Gespräche mit ihr führen – einfach eine Grand Dame..
KULTURHERZ: Wären für Dich statt der Titelrolle Elisabeth auch Ludovika oder Sophie eine interessante Wahl?
Maya Hakvoort: Da kann ich mich kurz halten: Niemals! Ich glaube nicht, dass ich in diesem Musical eine andere Rolle spielen kann. Das soll aber keineswegs abwertend klingen.
KULTURHERZ: Du hast bereits in „Jekyll& Hyde“ gespielt und in „Victor/Victoria“, für das Wildhorn auch einige Stücke komponiert hat, würde es dich reizen in einer weiteren Show von Frank Wildhorn zu spielen?
Maya Hakvoort: Ja, „Camille Claudel“ wäre mein Traum!
KULTURHERZ: Seine letzten beiden Stücke „Wonderland“ und „Bonnie & Clyde“ sind ja leider am Broadway schnell untergegangen. Denkst Du Wildhorn funktioniert auf dem europäischen Markt besser?
Maya Hakvoort: Kann ich nicht sagen, da ich diese Stücke nicht gesehen habe. Ich kann nur sagen, dass ich die Deutsche Fassung „Jekyll & Hyde“ in der Inszenierung von Dietrich Hillsdorf wesentlich stärker fand als jene, die ich am Broadway gesehen habe. Aber ich glaube auch, dass er mit diesen 2 Stücken einfach ein bisschen Pech gehabt hat, da ich über „Bonnie & Clyde“ nur Gutes gehört habe, außer von den Kritikern…
KULTURHERZ: Du bist extrem vielseitig und zeigst auch in deinen Soloprogrammen nicht nur viele Facetten, sondern auch unterschiedliche musikalische Richtungen. Nach welchen Kriterien triffst Du Deine Wahl für die Songs?
Maya Hakvoort: In erster Linie braucht ein Song eine Geschichte. Er muss etwas mit mir zu tun haben, braucht einen Groove und muss mich vor allem auch musikalisch ansprechen; das ganze darf schon was hergeben.
KULTURHERZ: Welche Musik hörst Du privat am liebsten?
Maya Hakvoort: : Vieles von Joy Denalane, Roger Cicero, Quincy Jones, Sting, Chaka Khan, Barbra Streisand (meine Nummer 1), Linda Eder u.v.a
KULTURHERZ: Wenn wir zum Broadway oder ins West End schauen gibt es dort viele großartige Künstler wie Bernadette Peters, Ruthie Henshall oder Elaine Paige. Gibt es jemanden aus dem internationalen Musicalbereich den Du für seine Arbeit respektierst?
Maya Hakvoort: Sie ist leider nicht mehr unter uns, aber eine große Inspiration für mich war Natasha Richardson, die ich damals am Broadway in „Cabaret“ gesehen habe. Linda Eder ist für mich die Musical Stimme schlechthin und Ruthie Henshall kann einfach alles: singen, tanzen, schauspielern.
KULTURHERZ: Du hast Evita einige Male in Baden bei Wien gespielt. Was fasziniert dich an dem Stück „Evita“?
Maya Hakvoort: Erstens die Geschichte. Ich finde es generell sehr interessant einen Menschen zu spielen, der tatsächlich gelebt hat und dabei auch noch umstritten war. Ich versuche eine Rechtfertigung zu finden über das, was sie war und getan hat. Und auch musikalisch ist die Rolle eine ordentliche Herausforderung.
KULTURHERZ: Könnest Du Dir eine Person auswählen, lebendig oder verstorben, und hättest die Möglichkeit einen Abend mit ihr zu verbringen; wer wäre das?
Maya Hakvoort: Barbra Streisand
KULTURHERZ: Gibt es eine Traumrolle im Musicalbereich die du noch sehr gerne spielen möchtest?
Maya Hakvoort: Meine Traumrolle wäre Camille Claudel, aber leider traut sich (noch) niemand das Stück von Wildhorn auf die Bühne zu bringen.
KULTURHERZ: Welches neuere Musical fasziniert dich?
Maya Hakvoort: Ein Holländisches: „Soldaat van Oranje“! Die Bühne ist wirklich sensationell, das Stück dramaturgisch hochwertig und die Rollen sind bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Einfach fantastisch..
KULTURHERZ: Schaust Du Dir auch regelmäßig Musicalproduktionen an, wenn es Deine Zeit erlaubt?
Maya Hakvoort: Ich schaue mir Theater überhaupt gerne an, wenn es die Zeit erlaubt.
KULTURHERZ: Singst Du auch mit deinen Kindern?
Maya Hakvoort: Ja, wenn möglich jeden Tag.
KULTURHERZ: Erzähl uns über Deine Rolle als Mrs.Danvers in „Rebecca“. Deine Kritiken für diesen Part waren furios. Hast Du den Hitchcock Film gesehen mit Judith Anderson als Mrs. Danvers?
Maya Hakvoort: Den Film habe ich gesehen. Ich habe auch das Buch gelesen und hatte dadurch das Bedürfnis heraus zu finden, was genau sie so bösartig macht. Für mich ist es vor allem diese unendliche Traurigkeit über den Verlust eines geliebten Menschen und in diesem Schockzustand spiele ich sie.
KULTURHERZ: Mit wem würdest du mal gerne zusammenarbeiten oder ein Duett singen?
Maya Hakvoort: Ich muss mich wiederholen, Barbra Streisand und Linda Eder
KULTURHERZ: Vielen Dank für das Interview und ein dickes toi, toi, toi für alle aktuellen und zukünftigen Projekte.
Maya Hakvoort: Vielen Dank… alles Liebe Maya